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Artikel aus den Verwaltungshochschulen

Der Vertiefungsbereich „Kommunalpolitik“ – die Bürgermeisterschmiede für Baden-Württemberg?

25 Studierende der Hochschule Kehl bekommen vertiefte Kenntnisse in die Kommunalpolitik. Damit sollen sie auf den Beruf des Bürgermeisters vorbereitet werden.
Zwei Studentinnen schauen auf eine Powerpoint-Präsentation

Bürgermeister werden: Ja oder nein? Einige Studierende im Vertiefungsmodul haben sich schon entschieden.

HS Kehl)

KEHL. Direkt in der ersten Woche des letzten Semesters an der Hochschule Kehl stellt sich die Frage, ob der zukünftige Berufsweg dieser jungen Menschen bereits vorgezeichnet ist. Gemeint sind die Studierenden des Vertiefungsbereichs „Kommunalpolitik, Führung im öffentlichen Sektor“. Gleich zu Semesterbeginn bestreiten sie traditionell das Bierfassanstichseminar – und wie es sich im Ländle gehört –  bei der landeseigenen Staatsbrauerei Rothaus.

In Reih und Glied warten sie im feuchten Keller der Brauerei bis sie an der Reihe sind. Einer nach dem anderen zieht sich die schwere braune Schürze über, hakt die Verschlusskette ein und legt mit dem Hammer und ein oder zwei kräftigen Schlägen los, bis das Bier sprudelt. Die Kommilitonen klatschen, der Dozent macht ein Erinnerungsfoto und der nächste kommt zum Zug. Ist das die Zukunft der 25 jungen Menschen? Glaubt man dem unterschwelligen Ton der Gesellschaft, so sind dies die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister von morgen. Denn schließlich verbringen sie ihr letztes Semester an der Hochschule Kehl in der „Bürgermeisterschmiede“.

Kenntnisse in sechs Modulen

In 17 Semesterwochen erhalten 25 Studierende aus ganz Baden-Württemberg vertiefte Kenntnisse in sechs Modulen. Eines haben sie alle gemeinsam: Der Schwerpunkt liegt auf dem Bereich der Kommunalpolitik. Es handelt sich um Fächer wie Kommunalwirtschaft, Interkommunale Zusammenarbeit, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und Bürgermeisterwahlen. Die Studierenden sollen auf Tätigkeiten an der Schnittstelle zwischen Politik und Verwaltung, insbesondere auf Führungstätigkeiten, bevorzugt als Bürgermeisterin oder Bürgermeister, vorbereitet werden.

Aktuelle Bürgermeisterwahlen

Eine Übersicht und Details zu allen aktuellen und vergangenen Wahlen finden Sie auf unserer Seite Bürgermeisterwahlen im Land.

Und wer könnte diese Aufgabe besser wahrnehmen als Bürgermeister selbst? Deshalb ist eine Besonderheit des Vertiefungsbereichs „Kommunalpolitik, Führung im öffentlichen Sektor“ das Modul 13 – Themenfelder der Kommunalpolitik. Hier werden die Studieninhalte nicht von Professoren, sondern von Bürgermeistern höchstpersönlich vermittelt. Diese bringen den Studierenden aktuelle kommunalpolitische Themen aus ihren (ehemaligen) Gemeinden näher. Dieser Erfahrungsreichtum kommt bei den Studierenden gut an. So berichtet beispielsweise Tiana Gottstein, eine Studentin aus dem Vertiefungsbereich Kommunalpolitik, „Im Modul 13 haben mir bis jetzt schon die Erfahrungen unserer Lehrbeauftragten, die ja alle Bürgermeister sind oder waren, sehr geholfen, da sie ja direkt aus der Praxis berichten“.

So kann es vorkommen, dass man im Hörsaal das Fallen einer Stecknadel hören würde, da der komplette Kurs gebannt an den Lippen eines Bürgermeisters hängt. Klaus Muttach, Oberbürgermeister der Stadt Achern, verknüpft beispielsweise die theoretischen Lehrinhalte unter anderem mit Rollenspielen und streut an passenden Stellen sein praktisches Fachwissen mit ein. Dadurch gelingt es, dass 25 Erwachsene an einem Freitagvormittag eine Gemeinderatssitzung nachstellen und sich die Wortbeiträge der einzelnen Fraktionen schier ins Unermessliche steigern. Es wird diskutiert, verhandelt, überdacht und schließlich eine Entscheidung getroffen – eben wie in der „echten Politik“. Sogar so echt, dass der fiktive Bürgermeister manche Gemeinderäte zur Ruhe ermahnen muss oder die Redezeit begrenzt wird. Sitzungsleitung par excellence.

Vier von 25 Studierenden wollen Bürgermeister werden

Zeichnet sich etwa auch hier bereits der spätere Berufswunsch ab oder handelt es sich um einen Versuch der Hochschule und der Lehrbeauftragten den Studierenden den Beruf als Bürgermeisterin und Bürgermeister schmackhaft zu machen? Denn schließlich hat die Sitzungsleitung ja auch irgendwie Spaß gemacht. Auf jeden Fall gibt es aus den Reihen der Studierenden einige Stimmen, die sich dem Bürgermeisteramt zuwenden möchten. Vier von 25 Studentinnen und Studenten haben es sogar fest vor. Für manche war dies sogar schon vor Beginn des Studiums klar. „Also ich kann auch sagen, dass meine Entscheidung, an der Hochschule Kehl zu studieren, durch den Ruf als Bürgermeisterschmiede beeinflusst wurde“, so Sebastian Bayer, Student im letzten Semester des genannten Vertiefungsbereichs an der Hochschule Kehl.

Immerhin 18 von 25 Personen schließen eine spätere Kandidatur als Bürgermeisterin und Bürgermeister nicht aus. Deshalb ist es wichtig, dass Kompetenzen vermittelt werden, die eine spätere Ausübung des Amtes erleichtern oder möglich machen. So erläutert Aribert Kopnarski, Koordinator des Vertiefungsbereichs Kommunalpolitik, in Bezug auf die Kompetenzvermittlung seines Bereichs, dass die fachübergreifende Ausbildung wichtig wäre. Deshalb würden ökonomische und rechtliche Grundlagen, die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie kommunalpolitische Grundlagen unterrichtet werden. Dies führe zum angestrebten Qualifikationsprofil einer Bürgermeisterin, beziehungsweise eines Bürgermeisters.

Es scheint also nicht verwunderlich, dass laut seiner Aussage, zahlreiche Absolventinnen und Absolventen des Vertiefungsbereichs Kommunalpolitik mittlerweile das Bürgermeisteramt angetreten haben.

Generell steht das Amt allerdings allen offen, so bringen auch andere Vertiefungsbereiche spätere Bürgermeister hervor – wie Yvonne Heine, die zu ihrer Zeit jüngste Bürgermeisterin in Baden-Württemberg war. Jedoch werden bei den Studierenden des Vertiefungsbereichs Kommunalpolitik noch einmal ganz andere Anreize gesetzt. Sie erleben durch das von ihnen gewählte Vertiefungsgebiet hautnah, wie das Bürgermeisteramt sein kann – aus ganz unterschiedlichen Perspektiven und mit zahlreichen Facetten. Dies hat mit Sicherheit einige hoch qualifizierte Bürgermeisterinnen und Bürgermeister auf den Weg gebracht: Wie zum Beispiel Johannes Henne – Bürgermeister der Gemeinde Immenstaad oder auch Stefan Friedrich – Bürgermeister von Allensbach am Bodensee. Daher kommt der Name „Bürgermeisterschmiede“ nicht von ungefähr.

Quelle/Autor: Klara Becherer, Viktoria Betger, Xenia Förderer, Lisa Koliska und Alisia Meisch

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