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Friedrich Ebert: Mann des Maßes und der Mitte in einer Zeit der Extreme

Friedrich Ebert flaniert mit seiner Gattin Louise in Berlin.
dpa/akg-images)Heidelberg. Die Ehrerbietung, die dem Verstorbenen widerfuhr, war ihm, dem Sohn eines Schneiders, wahrlich nicht an der Wiege gesungen worden. Ein Sonderzug brachte den Sarg Friedrich Eberts aus Berlin zur Beisetzung an seinen Geburtsort Heidelberg, bei Zwischenhalten wurde dieser von Menschenmassen begrüßt. Zuvor war der am 28. Februar 1925 gestorbene Reichspräsident in Potsdam aufgebahrt.
„Eine würdige Feier der Republik für ihren verstorbenen Retter und Verteidiger“, kommentierte damals eine Zeitung. Sachbuchautor Harald Jähner schrieb 2022: „Ebert, dem im Amt Anerkennung nur in knappen Notrationen gewährt worden war, erhielt sie posthum im Überschuss. Plötzlich erschien er den Hinterbliebenen als mächtiger Vater, ohne den die Zukunft noch unsicherer werden würde“.
Beleidigungen und persönliche Angriffe setzten Ebert schwer zu
Tatsächlich hatten mangelnde Anerkennung und persönliche Angriffe und Verleumdungen vor allem von rechts, aber auch von links, dem SPD-Politiker so zugesetzt, dass sie für seinen Tod wenige Monate vor Ablauf seiner Amtszeit, mitverantwortlich waren. Um als Zeuge in einem Beleidigungsprozess bereitzustehen, hatte er eine Blinddarmentzündung verschleppt, bis es zu spät war.
In einfachen Verhältnissen aufgewachsen, verließ der 1871 geborene Ebert Heidelberg, um als Sattlerlehrling auf die Walz zu gehen. In Bremen fand er 1891 eine neue Heimat und sein persönliches Glück. Er heiratete, übernahm eine Gastwirtschaft und arbeitete auch als Redakteur. Ebert erwies sich als guter Anwalt der kleinen Leute und in der SPD als fähiger Organisator. 1905 stieg der marxistischer Dogmatik abholde Ebert in den Parteivorstand in Berlin auf; 1913 wurde er, also noch vor dem Ersten Weltkrieg, als Nachfolger des verstorbenen SPD-Mitgründers August Bebel Parteivorsitzender.
Als der Krieg verloren war, rückte Ebert unverhofft ins Rampenlicht der deutschen Politik. Prinz Max von Baden, der letzte Reichskanzler, legte am 8. November 1918 sein Amt eigenmächtig in Eberts Hände. Die Republik wurde ausgerufen. Ein Horror nicht nur für die konservative bis reaktionäre staatstragende Elite des Kaiserreichs, doch nicht genug für viele Linke, die von einer Revolution nach russischem Muster träumten: auch im Rat der Volksbeauftragten, der faktischen Übergangsregierung, in der neben Ebert und zwei weiteren SPD-Politikern auch drei Mitglieder der im Krieg abgespaltenen USPD saßen.
Als Etatist strebte Ebert nach Ordnung; dafür verbündete er sich mit Teilen des Militärs und der alten Bürokratie. Und er strebte nach Legitimität. Daher wollte er sofort Wahlen und eine neue Verfassung. Damit setzte er sich durch. Die Nationalversammlung machte den „Sohn des Arbeiterstandes“, so Ebert selbst, am 11. Februar 1919 zum ersten demokratisch gewählten Staatsoberhaupt der deutschen Geschichte. „Ich will und werde als der Beauftragte des ganzen deutschen Volkes handeln, nicht als Vormann einer Partei“, versprach Ebert – und hielt Wort.
Seine Amtszeit war durch zahlreiche Krisen gekennzeichnet
Die junge Republik durchlebte anfangs eine Krise nach der anderen: Aufstände von links, Putschversuche von rechts, der Streit um die Ratifizierung des Versailler Vertrags und die Reparationszahlungen für den verlorenen Krieg, die Besetzung des Rheinlands durch Frankreich und die Inflation von 1923. Ebert navigierte zusammen mit bürgerlichen Politikern wie Gustav Stresemann das Staatsschiff durch schwierige Zeiten, nicht ohne Fehler, aber letztlich mit Erfolg.
„Er war ein überzeugter Demokrat, ein deutscher Patriot und ein Mann des Ausgleichs nach innen wie nach außen“, schreibt der Historiker Heinrich August Winkler. Ebert war ein Mann der Mitte und des Maßes. Eigenschaften, die in der Weimarer Republik nur vergleichsweise selten und von vergleichsweise wenigen geschätzt wurden. Eberts Nachfolger als Reichspräsident wurde ausgerechnet der Miterfinder der Dolchstoßlegende über das Ende des Weltkriegs und, durch Berufung Hitlers zum Reichskanzler 1933, einer der Totengräber der Republik: der frühere Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg.
Friedrich-Ebert-Stiftung
Schon wenige Tage nach Eberts Tod beschloss der SPD-Vorstand am 2. März 1925, eine von ihm selbst in seinem Testament angeregte Stiftung zu errichten. Insbesondere sollte sie jungen Menschen aus der Arbeiterschaft zum Aufstieg durch Bildung und Studium verhelfen, zudem demokratische Werte fördern und der internationalen Verständigung dienen. Den Grundstock bildeten die Spenden, die bei der Trauerfeier nach Eberts Tod von Trauergästen anstatt von Kranzspenden gesammelt worden waren.

