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Regionalgruppe des Deutschen Vergabenetzwerks

Drei Perspektiven auf die tägliche Vergabepraxis

Auf dem jüngsten Treffen der Regionalgruppe des Deutschen Vergabenetzwerks stellte Agnes Kübler die Ziele des Einkaufs der Stuttgart Netze vor. Der Freiburger Vergaberechtler Peter Creutz sorgte für Klarheit bei der Leistungsbeschreibung. Und Sebastian Schmäh, Chef einer Holzbaufirma forderte, Bau-Leistungen öfter freihändig zu vergeben.
Drei Personen in formeller Kleidung sprechen vor Publikum.

Drei Referenten, drei Blickwinkel (v. links): Handwerker Sebastian Schmäh, Vorsitzender des Verbands der Restauratoren, Vergaberechtler Peter Creutz und Agnes Kübler, Leiterin Einkauf der Stuttgart Netze.

Wolfgang Leja/Collage: ant)

Stuttgart . „Unser Ziel ist es, die beiden Rollen, den zentralen Einkauf und die Vergabestelle zu vereinen“, sagte Agnes Kübler, am Mittwoch bei dem Treffen der Regionalgruppe des Deutschen Vergabenetzwerks in Stuttgart. Die Leiterin Einkauf der Stuttgart Netze arbeitet mit ihrem 14-köpfigen Team daran, die Vergabe für die gesamte Stadtwerke Stuttgart Gruppe zu zentralisieren. Diese besteht aus sechs Gesellschaften. Hinzu kommen 31 Windparkanlagen in 15 Windparkgesellschaften, die von den Stadtwerken Stuttgart betrieben werden. Damit ist das Beschaffungsportfolio sehr groß. Angefangen bei Bauleistungen über die Ladeinfrastruktur, Wärmenetze bis hin zu Speicherlösungen.

Elektronische Vergabeakte als effektives Kommunikationsmittel

Alle Vergaben der Gruppe werden „gesteuert, gefiltert, gebündelt“ und an die Facheinkäufer weitergegeben. Dabei misst Kübler der elektronischen Vergabeakte eine besondere Funktion zu. „Sie erfüllt bei uns nicht nur Dokumentationspflichten, sondern ist ein effektives Kommunikationsmittel. Alle Protokolle landen dort, die Kollegen können jederzeit den Stand der Vergabe einsehen.“

Auch die Digitalisierung treibt das Team intensiv voran. „Nur im letzten Schritt gibt es bei uns noch Papier, wenn die Geschäftsführung den Vertrag unterschreibt. Alles andere läuft digital“, sagte Kübler. „Wir hoffen, dass alle Unterschriften bald digital erfolgen werden.“ Mit ihrem Team betreibt sie auch ein Lieferantenmanagement und eine strategische Lieferantenentwicklung. „Wie performen die Lieferanten? Wir dokumentieren Reklamationen und Nachträge, um uns bei der nächsten Ausschreibung besser zu positionieren und möglichst wenig Nachträge und Reklamationen zu haben“, sagte sie.

Peter Creutz, Fachanwalt für Vergaberecht bei Creutz von Maltzahn Rechtsanwälte in Freiburg, warnte vor Nachtragsstreitigkeiten, höheren Vergütungsansprüchen und Auslegungsschwierigkeiten infolge einer mangelhaften Leistungsbeschreibung. Schlimmstenfalls könnten potenzielle Bieter das gesamte Verfahren angreifen.

Creutz erläuterte die unterschiedlichen Arten der Leistungsbeschreibung. „Es ist immer die Rede von funktionalen oder konstruktiven Beschreibungen, von Lösungsvorschlägen und ähnlichen Begrifflichkeiten“, sagte er. So gebe es die eine Seite, die stringent beschrieben sei – die mit Leistungsanforderungen – und die andere mit Funktionsanforderungen. Das dritte seien Mischformen.

Die Kernfrage aus Sicht des Vergaberechtlers: Gibt es einen Vorrang der Ausschreibung mit Leistungsverzeichnis, also der konstruktiven Leistungsbeschreibung vor einer funktionalen Leistungsbeschreibung? „Die Regelungen, insbesondere im EU-Vergaberecht, zeigen: Es gibt nirgendwo eine Vorrangsdefinition – weder in den Richtlinien noch in Paragraf 121 GWB noch in Paragraf 31 VgV.“, sagte er. Dort stehe nur „entweder oder“, aber nicht „erst das, dann das“. Oder: „Wenn es zweckmäßig ist, dann nur das.“ Jede Leistungsbeschreibung müsse allerdings „eindeutig und erschöpfend“ sein, egal ob sie funktional ausgerichtet sei oder ein Leistungsverzeichnis enthalte. „Der Bieter muss stets wissen, worauf er bieten soll“, sagt Creutz.

Auftraggeber sollten Vergabegrenzen bewusst nutzen

Aus der Perspektive des Geschäftsführers einer Holzbaufirma in Meersburg riet Sebastian Schmäh Kommunen, bei der Vergabe von Denkmalsanierungen immer Referenzen einzuholen. „Lassen Sie sich die letzten drei Jahre zeigen, was die Firmen geleistet haben“. Er riet, immer so auszuschreiben, dass Betriebe aus Baden-Württemberg zum Zuge kommen. Es gebe Wettbewerber, die 600 bis 700 Kilometer anfahren – da sei ab Freitag oft keiner mehr auf der Baustelle.

Schmäh rief dazu auf, Vergabegrenzen bewusst zu nutzen. „Ich wundere mich, warum nicht öfter freihändig vergeben wird, wenn man weiß, dass der Handwerker zuverlässig ist“, sagte er. Er warnte vor funktionalen Ausschreibungen. Diese würden oft dazu führen, dass Handwerker keine Angebote mehr abgeben würden. Das ideale Bieterverfahren für ihn: Drei bis fünf Firmen bewerben sich, zeigen Referenzen, und dann geht man in einen Wettbewerb.

Vergabenetzwerk DVNW

Das Treffen der Regionalgruppe des Deutschen Vergabenetzwerks in Baden-Württemberg ist eine Fachveranstaltung für den Austausch über aktuelle Entwicklungen im Vergaberecht. Geleitet wird das regionale Netzwerk von Martin Ott von Menold Bezler Rechtsanwälte sowie Sabine Flexer, Leiterin der Vergabeabteilung beim Staatsanzeiger Baden-Württemberg. Die Mitgliedschaft im Deutschen Vergabenetzwerk (DVNW) und damit in der Regionalgruppe Stuttgart ist kostenlos und erfolgt über den Aufnahmeantrag unter:

https://portal.dvnw.de

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