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Yvonne Hüneburg: „Ein Umdenken in der ÖPNV-Vergabe ist nötig“

WBO-Chefin Yvonne Hüneburg steht für 300 private Omnibusunternehmen im Südwesten.
WBO)Stuttgart/Böblingen. Seit 17 Jahren beschäftigt sich Yvonne Hüneburg mit dem Thema Vergabe. 2008 ist sie als Justiziarin zum Verband Baden-Württembergischer Omnibusunternehmen (WBO) gekommen. Seit Januar 2023 ist sie dessen Geschäftsführerin.
„Wir kommen aus einer Welt, in der die Preisvergabe vorherrschte“, erklärt sie. „Da ging es oft um den billigsten Anbieter. Das hat mittelständische Unternehmen, die gute Qualität liefern, unter Druck gesetzt.“ Denn die seien nicht immer die Billigsten, zahlten Tariflöhne und würden mit moderneren Bussen fahren.
Branche hat sich die Vergabe mit Qualitätskriterien hart erkämpft
Dann hat sich die Branche die Vergabe ihre ÖPNV-Leistungen auf Basis von Qualitätskriterien hart erkämpft. Zunächst wurde im November 2020 der Baden-Württemberg-Index ÖPNV Straße mit dem Land vereinbart. Er misst jährlich die tatsächlichen Kostensteigerungen im straßengebundenen ÖPNV, vor allem im Busverkehr und ist Bestandteil bei Vergaben von Verkehrsleistungen. Seit letztem Jahr gibt es die ersten Qualitätsvergabeverfahren.
Dabei werden neben dem Preis auch Kriterien wie Fahrgastkomfort, Ausstattung der Fahrzeuge, Zuverlässigkeit und die Qualifikation des Personals, sowie Umweltaspekte im Vergabeverfahren gewichtet. „Man hinterlegt Qualitätskriterien, etwa mit dem Index ÖPNV Straße, der eine Kostenfortschreibung ermöglicht – ein echtes Pfund, weil die Verträge üblicherweise eine Laufzeit von zehn Jahren haben“, erklärt die Juristin.
Es scheint also alles bestens zu laufen für die über 300 privaten Omnibusunternehmen. Mitnichten. Kaum begonnen, läuft es beim Thema Qualitätsvergabe nach Meinung Hüneburgs aus dem Ruder.
„In der Praxis erleben unsere Unternehmen, dass die Qualitätsvergabe zu einer enormen Bürokratisierung geführt hat. Wir sind sogar an einem Punkt angelangt, an dem ich zu den Aufgabenträgern sage: Lasst uns innehalten und überlegen, was wir da tun.“
Viele Aufgabenträger gestalten die Vergaben selten allein, sondern mit Beratern. Das habe laut Hüneburg dazu geführt, dass Vergabeunterlagen inzwischen 300 Seiten umfassen. „Mittelständler sagen mir: Ich brauche mittlerweile zwei Berater und ChatGPT, um das Angebot zu erstellen“, berichtet sie. Es gebe Verfahren mit über 200 Bieterfragen, weil die Unterlagen so umfangreich seien. So wird auch aufseiten der Unternehmen aufgerüstet. Mittlerweile ziehen viele ebenfalls externe Berater hinzu.
Tiefe Eingriffe in die betriebliche Praxis
Laut Schätzungen des Verbands beträgt das Vergabevolumen im ÖPNV jährlich rund 65 Millionen Euro. „Ursprünglich sollte die Vergabe einen fairen, transparenten Wettbewerb und effizienten Mitteleinsatz sichern, doch wir sind dabei, über das Ziel hinauszuschießen“, warnt die Verbandschefin. Es werde alles bis ins kleinste Detail geregelt: Putzpläne für Busse, Fensterputzpläne Sommer/Winter, Pläne zur Reinigung von Klapprampen.
Das sind tiefe Eingriffe in die betriebliche Praxis. Da sei nicht mehr die gewünschte Aufgabenteilung, findet Hüneburg. Das Vorgehen sei fehleranfällig, überfordere die Aufgabenträger und nehme den Unternehmern ihre Gestaltungsspielräume.
„Diese Überregulierung ist strukturgefährdend und macht es für den Mittelstand unnötig komplex“, so die WBO-Chefin und fordert: „Nutzer, Betreiber, Besteller müssten sich auf ihre Rollen besinnen. Im Moment ist das sehr einseitig auf den Aufgabenträger ausgerichtet. Es wäre gut, wenn diese die mittelständische Sicht in den Fokus nehmen würden“, fordert Hüneburg.