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Demonstrationen gegen rechts

AfD reagiert auf Proteste mit Fragen und Prozessen

Die AfD gerät unter Druck. Die Partei reagiert auf die Massendemonstrationen der vergangenen Wochen mit Anfragen und Klagen. Gegner sind die Stadt Karlsruhe und einer ihrer Mitarbeiter. In einem Fall bekam die AfD nun Recht.

Die Demonstration gegen rechts in Karlsruhe mit über 20 000 Menschen provozierte Anfragen an die Stadtverwaltung durch die AfD.

IMAGO/Nicolaj Zownir)

Karlsruhe . Es sind raffiniert geschnittene Videos mit sinnentstellenden Textpassagen, wortverdrehende Kommentierungen von Äußerungen anderer und vermehrt auch entsprechende Anträge und Anfragen der Alternative für Deutschland (AfD) in den kommunalen Gremien. Das alles soll aus Sicht der AfD dafür sorgen, dass sich die politische Großwetterlage weiter zu ihren Gunsten verändert. Drei Beispiele liefern Vorgänge in Karlsruhe.

Anfrage mit verkürztem Titel

Unter anderem geht es um eine AfD-Anfrage im Stadtrat zur Demonstration des „Netzwerks gegen Rechts“ am 23. Januar, die 20 000 Menschen auf den Karlsruher Marktplatz gelockt hatte – eine der größten Demos, die Karlsruhe in seiner Geschichte überhaupt erlebt hat. Die AfD wollte nun von der Stadtverwaltung wissen, ob sie von der Demonstration „Für die Demokratie und gegen die AfD“ gewusst habe. Die Formulierung verkürzt bewusst das eigentliche Motto der Kundgebung. Vollständig lautet es: „für Demokratie und Menschenrechte, gegen Rechtsextremismus und die Deportationspläne der AfD“.

Städtischer Mitarbeiter spricht als örtlicher DGB-Vorsitzender

Weitere Fragen sollen wohl die Stadtverwaltung in die Enge treiben, so etwa die Frage, ob eine Demonstration gegen eine demokratische Partei überhaupt zulässig sei und ob der AfD-Kreisverband auch zu einer Demo gegen die Grünen aufrufen könne. Kritisiert wird ein Mitarbeiter der Sozial- und Jugendbehörde, der auf der Demonstration gesprochen und so manches Abstimmungsverhalten im Stadtrat angeprangert hatte. Tatsächlich aber hatte die Person als Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbunds Nordbaden gesprochen. Kurz nach Beginn hatte der Redner dies auch genau so formuliert. Das aber verschweigt die AfD sowohl in der Anfrage als auch im Video, das sie auf einer Onlineplattform dazu verbreitet.

Exkurs über die Versammlungsfreiheit

Die Antworten der Verwaltung sind ein kleiner Exkurs über das Grundrecht der Versammlungsfreiheit, verbunden mit dem Hinweis, dass die Demonstration über ein entsprechendes Online-Formular angemeldet worden sei. Bei der Frage der Zulässigkeit einer Demo, die sich gegen eine Partei richtet, antwortet die Stadt, dass allein wegen eines Versammlungsthemas keine Gefahr für die öffentliche Ordnung bestehe, solange der Inhalt nicht strafbar sei. Und auch politische Äußerungen von städtischen Mitarbeitern seien von der freien Meinungsäußerung gedeckt, wenn sie in der Freizeit stattfänden.

Anzeige als Signal für mangelnde Neutralität

In einer anderen Anfrage, die jetzt im Stadtrat von Karlsruhe behandelt wurde, wirft die AfD der Stadt ebenfalls vor, politisch nicht neutral zu sein. Der Kern des Vorwurfs: Die Stadt habe in einem örtlichen Monatsmagazin für Familien eine Anzeige geschaltet. Die unabhängig arbeitende Redaktion hatte direkt neben der Anzeige einen Aufruf veröffentlicht, eine Petition zu unterzeichnen, die zum Verbot von einigen AfD-Landesverbänden aufruft. „Der Leser der Zeitschrift erhält unweigerlich aufgrund der direkt daneben mit Überschrift Stadt Karlsruhe abgebildeten halbseitigen Anzeige den Eindruck, es handele sich hierbei um einen Aufruf der Karlsruher Stadtverwaltung“, heißt es in der Anfrage.

Keine inhaltlichen Bezüge

Tatsächlich sind die Anzeige der Stadt und der Aufruf grafisch getrennt und haben auch inhaltlich nichts miteinander zu tun. Die Anzeige verweist auf das Angebot von Elterncafés in den Stadtteilen und wurde nach Angaben der Verwaltung ganz regulär und ohne inhaltliche Gegenleistung bezahlt.

AfD gewinnt Prozess

Und ein dritter Vorgang spielt den örtlichen AfD-Vertretern in die Hände. Als vor wenigen Tagen im Stadtteil Durlach eine „Lichterkette für Demokratie“ stattfand, leitete das örtliche Stadtamt im Vorfeld einen Aufruf zur Teilnahme über ihre Verteiler weiter und ließ die Organisatoren städtische Plakatständer nutzen.

Staatliche Neutralität auch gegenüber beobachteten Parteien

Dies hätte das Stadtamt nicht tun dürfen, urteilte der Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim. Kläger war der Karlsruher Kreisverband der AfD. Begründet wurde die Entscheidung vom VGH unter anderem mit der fehlenden Chancengleichheit unter den Parteien, unabhängig vom Inhalt einer Veranstaltung. Auf diese Chancengleichheit haben auch jene Parteien einen Anspruch, die vom Verfassungsschutz in einigen Bundesländern als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft werden.

Mitte-Studie belegt Rechtsruck

Die aktuelle Mitte-Studie, die in dieser Woche bei der Friedrich-Ebert-Stiftung in Karlsruhe vorgestellt wurde, weist nach, dass sich die Mitte der Gesellschaft in ihren Ansichten und Haltungen in den vergangenen Jahren verschoben hat. „Die Mitte hat sich in Teilen auf Distanz zur Demokratie begeben und ist nach rechts gerückt“, betont Mitautorin Beate Küpper, Professorin für Soziale Arbeit in Gruppen und Konfliktsituationen an der Hochschule Niederrhein in Krefeld. Getragen ist das nach Experten-Ansicht von einem Rückgang der Selbstverortung in der Mitte, vom Vertrauensverlust in die Politik und einer steigenden Akzeptanz von rechtsextremen, neu-rechten und verschwörungsorientierten Ideologien.

Marcus Dischinger

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