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Kulturelle Teilhabe

Warum die Jugend den Zugang zur Kultur braucht

Kulturelle Teilhabe ist ein Schlagwort, das derzeit häufig bemüht wird. Dabei geht es darum, jene für Kunst und Kultur zu gewinnen, die damit bislang wenig am Hut hatten oder mit den bisherigen Angeboten nicht ausreichend angesprochen wurden. Auf den Landesfachtagen Kulturelle Teilhabe Anfang der Woche ging es um Jugendbeteiligung.

Auf den Fachtagen Kulturelle Teilhabe 2025 wurde mit Kunstministerin Petra Olschowski (Grüne) heiß diskutiert. Fotos: Dominique Brewing

Dominique Brewing)

Stuttgart. Die Landesfachtage im Stuttgarter Hospitalhof (siehe Kasten) waren ausgebucht – das Thema scheint unter den Nägeln zu brennen. Ausgangssituation und Ziel, gesetzt vom Veranstalter Zentrum für Kulturelle Teilhabe Baden-Württemberg: „In Kunst und Kultur gibt es für junge Menschen bisher kaum Angebote, die ihre Expertisen und Interessen von Anfang an mit einbeziehen. Gemeinsam können wir das ändern, indem wir Räume für die Beteiligung junger Menschen schaffen.“

Ein Referent war der Soziologe und Professor für Migrations- und Bildungssoziologie Aladin El-Mafaalani. Er zeichnete ein drastisches Bild von den Lebensumständen junger Menschen: „Jugendliche und Kinder haben so eine breite Lebensrealität wie noch nie“, sagt er. „Familien haben sich enorm pluralisiert – Patchwork, Regenbogen, viele verschiedene Familienkulturen – man kann gar nicht mehr von irgendeiner Normalität ausgehen. Die Art, wie Familie gelebt wird, ist extrem unterschiedlich.“

Die größte Gemeinsamkeit von Familien sei Stress und wenig Zeit. Kinder verbrächten in staatlichen Institutionen so viel Zeit wie noch nie.

Auf der Suche nach einer Definition des Begriffs Teilhabe

Zudem haben die digitalen Medien Kindheit und Jugend stark verändert. „Sie sind eine demografische Minderheit, aber die heterogenste Gruppe der Gesellschaft“, befindet er. Und plädiert dafür, Raum zu schaffen für Partizipation, das Recht auf ein Mitentscheiden – auch in Schulen, auch von kleineren Kindern.

In der Podiumsdiskussion im Anschluss, moderiert von Merjam Wakili und Rana Bazgar, ging es um die generelle Forderung nach Jugendbeteiligung, um die Suche nach einer Definition des Begriffs und einem Wohlfühlfaktor für Jugendliche in Kultureinrichtungen. Auf dem Podium: Kunstministerin Petra Olschowski (Grüne), die beiden Akteurinnen des Jugendkuratoriums „New Perceptions“ Marleen Dalinghaus und Stella Beßlich, Theaterpädagogin und Kulturmanagerin Wiebke Hagemeier sowie Yagmur Mengilli, Junior-Professorin an der Universität Tübingen und einst in der offenen Kinder- und Jugendarbeit tätig.

Mengili, gefragt nach einem Rezept, wie Teilhabe gelingen kann, machte klar: Es gebe nicht das eine Rezept, aber vielleicht ein paar Zutaten. „Beziehungshaftigkeit hat auch sehr viel mit dem Ort zu tun, nicht nur mit Menschen“, sagte sie. Hagemeier hakte ein: „Ich muss mir das Vertrauen der Kinder und Jugendlichen erst erarbeiten. Das muss ich ongoing machen, in Kontakt bleiben und die Beziehungsebenen mitdenken.“ Die Frage kommt auf, welche Rolle die Erwachsenen überhaupt einnehmen sollten. Sind sie Infrastruktur, Unterstützung, Kollaborateure oder Servicekräfte? „Dazu gibt es kein Rezept, jede Gruppe muss das selber aushandeln“, so Hagemeier.

Auch die Bezahlung ehrenamtlicher Arbeit kommt auf den Tisch

„Das ist doch davon abhängig, wie die Jugendlichen sich fühlen“, so Beßlich, als Vertreterin der jungen Generation auf der Bühne. „Vielleicht muss man vorher nicht alles immer genau wissen – Learning by Doing.“ Ihre Mitstreiterin Dalinghaus plädierte dafür, Fördergelder an Quoten für die Beteiligung von Jugendlichen zu koppeln. Außerdem stellte sie eine Bezahlung für ihre ehrenamtliche Arbeit und Expertise zur Diskussion. „Es ist unglaublich unfair, wir müssen ständig Neues, Innovatives entwickeln, damit wir Bestand haben dürfen“, ergänzt Beßlich.

Die Ministerin stellte klar: „Unser Ansatz ist, dass die Kultureinrichtungen selbst entscheiden, was sie mit den Mitteln machen“, so Olschowski. „Wir mischen uns nicht in die Programmatik ein.“ Und sie weist auf die Kunstfreiheit hin. „Das kann man diskutieren, würde aber unserem Verständnis im Moment nicht entsprechen.“ Allerdings gebe es schon jetzt viele Beispiele der Teilhabe, siehe Kinder- und Jugendtheater. Und die Ministerin gab zu bedenken: „Für ganz viele Kultureinrichtungen ist das ein Feld, in dem sie sich nicht professionell bewegen.“

Schließlich äußerte Olschowski eine Sorge, die derzeit viele im Kulturbereich umtreibt: Wie geht es weiter, wenn im kommenden Wahljahr Parteien an die Regierung kommen, die eine grundsätzlich andere Haltung zur Kulturförderung haben? Die Kulturlandschaft werde sich verändern, so die Ministerin. „Eine schwierige Zeit wird auf uns zukommen, da kann es auch sein, dass manche Dinge rückabgewickelt werden.“

Die Landesfachtage Kulturelle Teilhabe

Auf dem Programm der Landesfachtage am 17. und 18. November standen unter anderem Vorträge, Workshops und eine Podiumsdiskussion. In den Impulsvorträgen stellten sich Initiativen als Best-Practice-Beispiele vor. Auch das Jugendkuratorium „New Perceptions“ der Kunsthalle Bremen war zu Gast. Seit 2023 organisieren dessen Mitglieder, allesamt Jugendliche, Ausstellungen und entwickeln eigene Projekte und Vermittlungsformate.

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