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Angela Merkel erhält den höchsten Orden, den Kretschmann vergeben kann

Ministerpräsident Winfried Kretschmann trifft Altkanzlerin Angela Merkel in der Villa Reitzenstein.
Ilkay Karakurt)Stuttgart. Ihre persönliche Verbundenheit ist seit Langem bekannt. Die Kanzlerin hätte sich sogar vorstellen können, dass Kretschmann der erste Bundespräsident aus den Reihen der Grünen wird. Das war im Herbst 2016, als er jedoch gerade erst wiedergewählt worden war. Er hatte für seine Partei Platz eins bei der Landtagswahl erkämpft und wollte Baden-Württemberg nicht verlassen.
Erst im Mai fanden die beiden Gelegenheit, sich über solche und andere Einzelheiten auszutauschen – bei einem Besuch der Altkanzlerin in der Villa Reitzenstein. Kretschmann lobte die „langjährige Vertrautheit, denn: „Als Naturwissenschaftler teilen wir eine ähnliche sachlich-analytische Herangehensweise, die unsere Zusammenarbeit stets geprägt hat.“ Als Beispiel nennt er den Ausstieg aus der Atomkraft nach Fukushima, der „womöglich weniger dem Fühlen der einstigen Umweltministerin geschuldet, auch nicht der Einsicht der Physikerin in die Folgekosten, sondern der nüchternen Analyse der gesellschaftlichen Schwingungen“ gewesen sei.
Während der Pandemie hatten die beiden auch mal Knatsch
Während der Pandemie waren die beiden dennoch nicht immer einer Meinung. Im Februar 2021, während der zweiten Corona-Welle, gab die Kanzlerin dem Druck einzelner Bundesländer nach und verzichtete auf die Fortsetzung einer bundesweiten Linie in Sachen Kita- und Schulschließungen. Kretschmann, während der vielen Wochen bekennendes Mitglied im sogenannten „Team Vorsicht“, reagierte damals enttäuscht: „Angela, ich bin über den Kurswechsel nicht erfreut.“
Wirklich erschüttern konnte die Differenz das gute Verhältnis nicht. Gezeigt hatte es sich schon bei der großen Fluchtbewegung in den Jahren 2015 und 2016. Merkels innerparteiliche Gegner hätten, so Kretschmann im Rückblick, Ängste geschürt und sie verstärkt „mit fast wöchentlich neuen, meist kurzsichtigen Forderungen wie Obergrenzen, Transitzonen oder Schließung der deutschen Grenze“. Letztere nicht zu schließen sei „ein wichtiger Akt der Humanität und der europäischen Solidarität“ gewesen, für den er den Hut ziehe. „Ihr Satz ‚Wenn wir jetzt anfangen, uns entschuldigen zu müssen dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land‘ wird einmal neben anderen großen Verständigungsworten und -gesten deutscher Kanzler stehen“, schrieb er später.
2016, in einem Interview mit dem Berliner „Tagesspiegel“ und im Zusammenhang mit weiteren Krisen wie Nahost, Ukraine und Klimawandel, fiel dann der Spruch, mit dem der Grüne landauf, landab so oft konfrontiert wurde: Weit und breit sei niemand mit der nötigen Erfahrung in Sicht, um die Krisen zu managen, und deshalb „bete ich jeden Tag dafür, dass die Bundeskanzlerin gesund bleibt“.
Eine Münze, die die Verbundenheit mit der Altkanzlerin ausdrückt
Am Ende seiner Ära drückt er diese Verbundenheit mit einer kleinen goldenen Münze aus, die gerade bei Sammlern wegen ihrer besonderen Gestaltungen viel Aufmerksamkeit erregt. Ein baden-württembergischer Ministerpräsident kann die Staufermedaille als „besondere, persönliche Auszeichnung“ vergeben. Sie bezieht sich auf das schwäbische Adelsgeschlecht der Staufer und wurde 1977 aufgelegt. Hansmartin Decker-Hauff, der bekannte Historiker und Tübinger Professor, hat hervorgehoben, dass mit diesem Orden einer Zeit Rechnung getragen werde, die für „bis heute weiterreichende Impulse“ stehe.
Den Bogen zur Empfängerin hat Kretschmann schon vor vier Jahren in seiner Würdigung der „Jahrhundertkanzlerin“ geschlagen: Er nannte sie „the normal one“ – in Anlehnung an eine Selbstbeschreibung des deutschen Fußballtrainers Jürgen Klopp – und lobte ihre „unprätentiöse Art, mit der sie sich jedem Bohei um ihr Amt entzog“. Bei der Altkanzlerin sei „fast schon das Anticharismatische zum Charisma“ geraten. Im vergangenen Mai, nach dem Gedankenaustausch im Staatsministerium, ließ der Ministerpräsident durchblicken, warum Merkel die seltene Ehrung zuteilwird: Sie habe Deutschland „in einer Zeit großer Umbrüche und Herausforderungen mit bemerkenswerter Ruhe und Besonnenheit geführt, und sie hat verstanden, auch in stürmischen Zeiten einen klaren Kurs zu halten“.