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Interview DBB-Chef Volker Geyer

Beamtenbund widerspricht CDU-Generalsekretär Linnemann: Lehrer müssen Beamte bleiben

Das Berufsbeamtentum wird gebraucht, gerade in Zeiten der Krise. Dieser Auffassung ist Volker Geyer, der seit dem 23. Juni an der Spitze des Deutschen Beamtenbund (DBB) steht. Er widerspricht dabei auch CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, der mit Hinweis auf die steigenden Pensionslasten gefordert hat, Lehrer nicht mehr zu verbeamten. Ein Interview von Michael Schwarz.

Der gelernte Postbote Volker Geyer steht seit dem 23. Juni an der Spitze des Deutschen Beamtenbunds mit seinen 41 Berufsverbänden respektive Fachgewerkschaften und rund 1,3 Millionen Mitgliedern.

Michael Schwarz)

Staatsanzeiger: Herr Geyer, Sie haben das Amt des DBB-Vorsitzenden in schwierigen Zeiten übernommen. Hat das Berufsbeamtentum eine Zukunft?

Volker Geyer: Auf jeden Fall. Für Deutschland ist es elementar wichtig, dass es ein Berufsbeamtentum gibt. Für die Wirtschaft und für die Gesellschaft. Außerdem ist es ein Bollwerk gegen Extremismus. Das passt zu 150 Prozent in die Zeit.

Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas will Beamte in die gesetzliche Rentenversicherung integrieren. Was halten Sie davon?

Davon hätte niemand etwas, nicht die Rentenversicherung und nicht der Staat, der seine Beamten kostspielig nachversichern müsste. Für mich ist der Vorstoß von Frau Bas ein Angriff auf das Berufsbeamtentum. Ich kann die Bundesregierung nur davor warnen, diesen Weg zu gehen. Das wird auf unseren erbitterten Widerstand stoßen.

Könnte es der Ministerin nicht auch um Gerechtigkeit gehen? Die Pension ist schon ziemlich üppig, wenn man sie mit der gesetzlichen Rente vergleicht.

Da vergleichen Sie Äpfel mit Birnen. Beamtinnen und Beamte haben zu zwei Dritteln einen Hoch- oder Fachhochschulabschluss und damit auch eine höhere Besoldung. Zum anderen sind ihre Erwerbsbiografien nicht unterbrochen. Auch das gilt ja nicht überall in der Privatwirtschaft. Der dritte Punkt ist, dass viele Arbeitnehmende neben ihrer gesetzlichen Rente auch eine Betriebsrente zu erwarten haben. Wenn Sie das alles berücksichtigen, dann schrumpft der Abstand zwischen Beamtenpension und Rente so sehr, dass am Ende kaum noch ein Unterschied bleibt.

Trotzdem: Da ist ja noch die längere Lebenserwartung. Müssten die Beamten nicht mit gutem Beispiel vorangehen und bis 70 arbeiten? Diese Diskussion dürfte auf Sie zukommen, nachdem Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche die Rente mit 70 gefordert hat.

Nein. Weil demografiebedingt immer mehr Arbeitskräfte fehlen, sollen jetzt die Beschäftigten immer länger arbeiten? Die Lebenswirklichkeit in Deutschland ist eine ganz andere: Die psychische Belastung am Arbeitsplatz hat enorm zugenommen. Viele können einfach nicht länger arbeiten. Also käme eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit einer Renten- beziehungsweise Pensionskürzung gleich. Wir brauchen keine Vorschläge aus der Mottenkiste, sondern innovative Ideen, wie wir mit Hilfe von KI und Digitalisierung im öffentlichen Dienst leistungsfähiger werden und das Personal entlasten.

Zu den Privilegien der Beamten gehört auch die Beihilfe. Muss ein Beamter schneller Termine beim Facharzt bekommen als ein gesetzlich Versicherter und braucht er zur Genesung ein Einzelzimmer im Krankenhaus?

Das sind zwei unterschiedliche Systeme, keine Privilegien. Und immer alles miteinander zu vergleichen, um dann eine Neiddebatte gegen Beamtinnen und Beamte loszutreten, das finde ich unfair.

Ich könnte mir aber schon vorstellen, dass der eine oder andere Arbeitnehmer gerne tauschen würde. Zumal Beamte ja auch unkündbar sind.

Aber sie verbindet auch ein besonderes Dienst- und Treueverhältnis mit dem Staat. Sie dürfen nicht streiken. Die Wirtschaft, die Gesellschaft, wir alle profitieren davon, dass wir einen verlässlichen Staat haben. Ich möchte nicht Verhältnisse haben wie in Amerika, wo ein Präsident alle auf einmal rausschmeißen und den gesamten Staatsapparat umbauen kann. Der Beamtenstatus garantiert auch den Bürgerinnen und Bürgern eine Unabhängigkeit – eine Unabhängigkeit, die sich diese Republik bewahren sollte.

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hat eine andere Diskussion losgetreten, in der es um die steigenden Pensionslasten und die Frage geht, wer wirklich hoheitliche Aufgaben trägt. Können wir uns noch leisten, Lehrer zu verbeamten?

Selbstverständlich. Erstens ist Bildung unserer Auffassung nach eine zutiefst hoheitliche Aufgabe. Zweitens spart der Staat durch die Entbeamtung bestimmter Berufsgruppen doch gar kein Geld. Im Gegenteil, die Bruttobesoldung müsste kurzfristig erhöht, Arbeitgeberanteile für die Rentenversicherung aufgebracht und Mittel für die Zusatzversorgung der dann angestellten Lehrerinnen und Lehrer bereitgestellt werden. Und will Herr Linnemann drittens wirklich Streiks an deutschen Schulen? Wir wollen das jedenfalls nicht.

Zu der schwierigen Situation, in der Sie die DBB-Spitze übernehmen, gehört auch, dass Ihr Verband innerhalb kurzer Zeit zwei Schicksalsschläge zu verkraften hatte. Der Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach und Waldemar Dombrowski, der im Vorstand für Beamtenpolitik zuständig war, sind in kurzem Abstand gestorben. Wie sehr hat Sie das getroffen?

Das hat mich sehr mitgenommen, auch weil ich die beiden Kollegen seit vielen Jahren kannte und über ein Jahr lang vertreten habe. Das war eine harte Zeit. Es waren schwere persönliche Schicksale, die die Kollegen, die beide an Krebs erkrankt waren, erleiden mussten.

Mehrere Landesbünde fühlten sich in der Vergangenheit nicht gut eingebunden. Werden Sie das ändern?

Ich werde alle unsere Mitglieder einbinden, alle unsere 41 Mitgliedsgewerkschaften, alle unsere Landesbünde. Ich setze auf einen konstruktiven Austausch, auf kritische Diskussionen und dass wir uns gemeinsam auf Ziele verständigen und diese anschließend gemeinsam durchsetzen.

Die Teilverhandlungen im öffentlichen Dienst der Länder stehen an. Müssen wir uns auf ein hartes Ringen einstellen?

Einfach sind Tarifverhandlungen nie. Die letzte Runde mit Bund und Kommunen war wirklich ein hartes Ringen. Wir haben drei Verhandlungsrunden absolviert, ohne zu einer Einigung zu kommen. Das letzte Angebot der Arbeitgeberseite war einfach unzureichend. Wir wollten damals auch eine vierte Verhandlungsrunde. Das haben wir der Arbeitgeberseite auch angeboten.

Doch dazu kam es nicht.

Das hat die Arbeitgeberseite abgelehnt. Stattdessen hat sie die Verhandlungen für gescheitert erklärt und die Schlichtung angerufen. Dann waren wir eine Woche lang in der Schlichtung, die auch sehr schwierig war. Eigentlich war es keine Schlichtung, sondern es waren Verhandlungen. Und wenn Sie mich Donnerstagnacht gefragt hätten, ob wir zu einem Ergebnis kommen, hätte ich gesagt, das ist auf keinen Fall sicher. Das war ganz, ganz hart.

Und dann kam weißer Rauch.

Die Einigung gelang erst am Freitagmorgen – bis zuletzt stand alles auf der Kippe. Und jetzt haben wir die Länderrunde vor der Brust. Die wird auch nicht einfach. Die Länder stehen in Konkurrenz mit dem Bund, mit den Kommunen und mit der freien Wirtschaft. Wenn Sie sich die Arbeitsmarktsituation in Baden-Württemberg anschauen, wie schwer sich öffentliche Arbeitgeber tun und was die private Konkurrenz bezahlt, dann kann ich nur an die Länder appellieren, schnell ein vernünftiges Angebot zu machen. Und das ist nicht nur ein Appell, sondern unsere Forderung. Die Beschäftigten erwarten, dass bei ihnen etwas ankommt.

Nehmen wir einmal an, die Länder machten Ihnen das Angebot: Wären Sie mit einem Tarifabschluss wie bei Bund und Kommunen zufrieden?

Das ist aktuell noch offen. Im November legen wir zusammen mit Verdi die Tarifforderung fest, die Verhandlungen starten dann im Dezember.

Noch einfacher wäre es doch, Bund, Länder und Kommunen verhandelten wieder zusammen.

Das wäre natürlich das Beste, wenn es nur einen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst gäbe.

Was können Sie den Ländern bieten? Schließlich sind sie freiwillig ausgeschert, auch weil Müllabfuhr und Erzieher in der Länderrunde nicht streiken.

Ich muss überhaupt nichts bieten. Die Länder müssen sich fragen, ob es denn Sinn macht, abseits zu stehen. Oder ob es nicht sinnvoller wäre, wenn es im öffentlichen Dienst nur einen Tarifvertrag gäbe. Es kommt doch darauf an, dass dieser Staat noch ausreichend Beschäftigte findet. In den nächsten zehn Jahren werden 1,4 Millionen Beschäftigte den öffentlichen Dienst verlassen. Heute fehlen uns schon 570 000 Menschen. Und da kann es doch keine Rolle spielen, wo die Gewerkschaften besonders streikfähig sind und wo nicht. Im Vordergrund muss ein attraktiver öffentlicher Dienst stehen. Das muss doch der Anspruch der Arbeitgeber sein. Und nicht immer zu schauen: Wie kann ich den billigsten Tarifabschluss bekommen?

In Baden-Württemberg würden sich viele öffentliche Arbeitgeber freuen, wenn sie mehr zahlen dürften, als TVÖD und TV-L hergeben. Ist der Flächentarifvertrag der einzig selig machende Weg?

Wir halten am Flächentarifvertrag fest. Unser Ziel ist, dass wie früher alle öffentlichen Arbeitgeber gleiche Löhne zahlen. Wir wissen natürlich, dass wir als öffentlicher Dienst mit der Privatwirtschaft nicht mithalten können. Deswegen fordern wir ja, die Einkommenssituation zu verbessern.

Weitere Informationen: Volker Geyer wird Chef des Deutschen Beamtenbunds | Staatsanzeiger BW

Der Chef des Deutschen Beamtenbunds, Volker Geyer (links), trifft Staatsanzeiger-Politikredakteur Michael Schwarz im „dbb forum“ in Berlin. Foto: Michael Eufinger
Michael Eufinger)

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