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Der AfD-Fixstern, gefallene Helden und Trabanten

„Jetzt mal ehrlich“ heißt der Claim der AfD-Wahlkampagne, die unter anderem das Ziel hat, den Spitzenkandidaten Markus Frohnmaier bekannter zu machen.
Michael Schwarz)Hechingen. Dunkelblauer Blazer, hellblauer Schal, weißes Hemd, rote Seidenkrawatte. Aus der Brusttasche lugt die goldgeränderte Brille. Und diese blauen Augen, dieser feine, an den Mundwinkeln nach unten gezogene Schnurrbart. Wie er da steht in der Stadthalle Hechingen, wo die AfD an diesem Totensonntag ihren Parteitag abhält, ist es nicht zu übersehen: Markus Berthold hat Klasse. Auf jeden Fall in Sachen Außendarstellung. In England wäre er vielleicht Butler geworden. In Deutschland ist er Anwalt für Familienrecht.
Was dem AfD-Direktkandidaten, Jahrgang 1959, allerdings fehlt, ist eine klare politische Perspektive. Sein Wahlkreis Kirchheim/Teck gehört nicht zu den sechs bis sieben Wahlkreisen, in denen die Rechtsaußenpartei auf ein Direktmandat hoffen kann. Und ein sicherer Platz auf der Landesliste blieb ihm verwehrt.
Markus Bertholds Pech besteht darin, dass er über Dirk Spaniel in die Politik kam. Spaniel war von 2019 bis 2020 AfD-Co-Landeschef und saß von 2017 bis 2025 im Bundestag. Inzwischen gehört er der Werteunion an, einem Sammelbecken ehemaliger rechter Politikgrößen, darunter Ex-AfD-Chef Jörg Meuthen.
Der Spitzenkandidat wendet sich vom Fraktionschef ab
Als Dirk Spaniel und die Seinen im Februar 2024 nach heftigen verbalen Auseinandersetzungen und Rangeleien auf dem Landesparteitag in Rottweil aus allen Parteigremien flogen, bekam auch die Karriere von Markus Berthold einen Knick. Er war zuvor Präsident des Landesschiedsgerichts gewesen.
Das mindert jedoch nicht den Respekt, den Berthold gegenüber jenem hegt, der am 8. März Ministerpräsident werden will: Markus Frohnmaier , 34 Jahre alt, enger Vertrauter von Parteichefin Alice Weidel und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der AfD im Bundestag. „Ich bin damals auch aussortiert worden“, erinnert sich Berthold. „Aber ich verstehe es.“
Diesen Sturm hat Anton Baron noch überstanden. Doch ob er gegen jenen, der sich gerade zusammenbraut, etwas tun kann, ist ungewiss. Der Öhringer, der 1987 in Kasachstan zur Welt kam, leitet seit 2023 die Landtagsfraktion. Der 38-jährige Wirtschaftsingenieur gilt als blass und schießt rhetorisch gern übers Ziel hinaus, etwa wenn er in einer Landtagsdebatte zur Verteidigung sagt: „Einhornpanzer mit transsexuellem Kommandanten werden niemanden auf der Welt beeindrucken.“ Oder wenn er beim Thema Bürokratieabbau dazwischenruft: „Wir kommen mit der Abrissbirne! Ganz sicher! Wir kommen mit der Abrissbirne!“
Beim AfD-Parteitag in Hechingen macht Markus Frohnmaier klar, dass Barons Zeit vorbei ist. Jedenfalls wenn es nach ihm geht – Baron will sich erst nach der Landtagswahl äußern. In einer Pressekonferenz nennt Frohnmaier auf die Frage, wer in Zukunft die Fraktion führen soll, zwei Namen: Martin Rothweiler und Emil Sänze. Sänze, der mit Frohnmaier die Landespartei führt, steht auf Platz eins der Landesliste, Rothweiler, der bislang kaum in Erscheinung getreten ist, auf Platz zwei. Baron folgt erst auf Platz drei.
Schon diese Reihung, vom Nominierungsparteitag Ende Mai in Heilbronn abgesegnet, ließ aufhorchen. Eigentlich hätte man den Fraktionschef auf Platz eins erwartet; Frohnmaier erhebt keinen Anspruch darauf, er will Bundespolitiker bleiben, falls er nicht Ministerpräsident wird.
Und wer bitte schön ist Martin Rothweiler? Den Landtagskandidaten aus Villingen-Schwenningen, der bislang nur kommunalpolitisch aktiv war, zeichnet eine Eigenschaft aus, die man bei Berufspolitikern nur selten findet. Er wirkt ruhig. Geerdet. Ohne das Bedürfnis, ständig im Mittelpunkt zu stehen.
Der eine hat eine Brasilianerin, der andere eine Koreanerin aus Russland zur Frau
Und dies ausgerechnet in einer Partei, die seit ihrer Gründung 2013 die schillerndsten Typen angezogen hat. Nicht nur, was ihre Gedankenwelt angeht – der Verfassungsschutz schätzte 2024 das extremistische Personenpotenzial im Landesverband auf 1170 –, sondern auch in Punkto Auftreten. Manche ließen sich aus dem Landtag tragen, ein anderer biss einem städtischen Vollzugsbediensteten das halbe Ohr ab.
Das sind natürlich Extrembeispiele, doch selbst ein soignierter Herr wie Markus Berthold räumt ein: „Ich fühle mich als innerer Rebell, sonst wäre ich nicht in der AfD.“ Und Rothweiler? Der ist auch zu den Rechtspopulisten gekommen, weil ihm die politische Lage in Deutschland missfiel. Und doch wirkt er anders.
Vielleicht liegt es daran, dass der 47-jährige Betriebswirt viel herumgekommen ist. Zwölf Jahre lebte er in Italien und managte dort Hotels. Italienisch und Spanisch spricht er fließend, Portugiesisch lernt er täglich dazu: Seine Frau ist Brasilianerin. „Wir sind bunter und vielfältiger, als viele denken“, antwortet er auf die Frage, wie dies zu einer Partei passt, die für ihre harten Positionen in Sachen Migration – andere würden von Ausländerfeindlichkeit sprechen – bekannt ist.
Der, der ihn im Frühjahr anrief und fragte, ob er sich vorstellen könne, die neue Fraktion zu führen, passt aber auch nicht ins Bild. Markus Frohnmaier, der neue Fixstern am südwestdeutschen AfD-Himmel, wurde im rumänischen Craiova geboren. Und seine Frau gehört einer koreanischen Minderheit in Russland an.
Frohnmaier hat einen weiten Weg hinter sich: vom rechtsextremistischen Scharfmacher zur Integrationsfigur der Südwest-AfD. Inzwischen debattiert er mit dem Tübinger OB Boris Palmer (parteilos), verteidigt die Russland-Politik seiner Partei bei „Maischberger“ und reist in die USA. Am 13. Dezember bekommt er in New York von der Jugendorganisation der Republikaner einen Preis dafür, dass er im „besonders repressiven und feindseligen politischen Umfeld in Deutschland“ die Fahne der AfD hochhält.
Sein markantes Gesicht wird bald überall zu sehen sein. Die Wahlkampagne ist auf ihn zugeschnitten. Markus Berthold findet das gut. Frohnmaier sei nicht so sprunghaft wie sein einstiger Widersacher Spaniel und formuliere druckreif.
Reden kann er. Hatte er als Chef der Jungen Alternative noch gehetzt – „Wenn wir kommen, wird aufgeräumt!“, rief Frohnmaier 2015 auf einer AfD-Demo –, gibt er sich heute moderater, spricht seine Hauptgegner als „liebe Freunde von der CDU“ an. Den Delegierten in Hechingen sagt er, dass am Wahlabend der „blaue Balken durch die Decke schießt und die Altparteien ihr blaues Wunder erleben“.