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Kommentar zur Landespolitik

Die Asyldebatte überlagert alles

Die Landespolitik wird von den steigenden Flüchtlingszahlen dominiert. Das sorgt auch in der grün-schwarzen Koalition für Spannung. Was ist jetzt zu tun im Südwesten?

Manuel Hagel (r), CDU-Fraktionsvorsitzender im Landtag von Baden-Württemberg, spricht im Landtag bei einer Debatte zur Halbzeitbilanz der grün-schwarzen Regierung. Links sitzen Thomas Strobl (l CDU), Innenminister von Baden-Württemberg, und Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen), Ministerpräsident von Baden-Württemberg.

dpa/Bernd Weißbrod)

Es war kein Zufall, dass der künftige starke Mann der Südwest-CDU, der designierte Partei- und aktuelle Fraktionschef Manuel Hagel , sich das Migrationsthema ausgesucht hat, um das Profil der Partei zu schärfen. Das könnte ein Vorbote sein dafür, was die grün-schwarze Koalition noch erwartet. Nicht nur weil es jetzt in der CDU zwei Machtzentren gibt – Vize-Ministerpräsident und Innenminister Thomas Strobl und Hagel. Mit wem soll man künftig Absprachen treffen? Die Unionsführung ist in einen exekutiven und einen legislativ-politischen Teil aufgespalten.

Das alles kann gut gehen, wenn sich die handelnden Personen einig sind. Und ein Vertrauensverhältnis haben. Doch just in diesem Moment wird die Landespolitik der nächsten Belastungskrise ausgesetzt. Corona ist vorbei, die Energiekrise durch den Ukraine-Krieg nicht ausgestanden. Nun ächzen die Kommunen unter nie dagewesenen Flüchtlingszahlen, die sogar das Jahr 2015 in den Schatten stellen. Das sorgt vor Ort für Zündstoff, die Rathauschefs senden Hilferufe nach Stuttgart. Und das Land muss dringend Standorte für die unpopulären Landeserstaufnahmeeinrichtungen finden.

Das Land hat wenig Spielraum

Der Landesregierung sind aber weitgehend die Hände gebunden. Die politischen Weichen werden in Berlin und Brüssel gestellt, was lange dauert. Dort müssen die Flüchtlingszahlen irgendwie reguliert werden. Wie 2015 oder in der Asylkrise der 90er-Jahre wird sich das Problem nur durch deutlich niedrigere Zahlen mildern – was ein rigideres Grenzregime und auch Zurückweisungen von Menschen beinhaltet, die offensichtlich kein Bleiberecht haben. Gelingt dies nicht, wird das Asylrecht de facto ausgehebelt. Und die Populisten der AfD können weiterhin Angst und Hass schüren. Solange sie in der prekrären Unterbringungssituation vor Ort einen Resonanzboden finden, haben sie leichtes Spiel. Lösungen müssen sie nicht mal anbieten, es reicht „Ausländer raus“ zu rufen, wenn auch in verklausulierter Form.

Sachleistungen statt Geld?

Die Landespolitik ist also eingekesselt, hat nur wenig Handlungsmöglichkeiten. Sie könnte Geldleistungen auf Sachleistungen umstellen. Doch der bürokratische Aufwand wäre enorm und der Effekt schwer abschätzbar. So bleibt nur effektives Krisenmanagement: Standorte möglichst geräuschlos finden, die Kommunen finanziell und mit Logistik unterstützen und in Berlin auf eine Lösung dringen.

Das Thema ist für die Grünen und auch für die CDU schwierig. Bei der Ökopartei hängen in Berlin viele noch einer idealistischen Vorstellung nach. Und bei der CDU gibt es die Verlockung zu populistischen Ausfällen, wie kürzlich durch Parteichef Friedrich Merz. Beides hilft nur der AfD. Und sorgt für weitere Spannungen in der Regierungskoalition. Es wird der Lackmustest dafür, ob das neue Macht-Konstrukt funktioniert.

Rafael Binkowski

Chefredakteur des Staatsanzeigers

0711 66601 - 293

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