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Kommentar zum Rechtspopulismus

Die Proteste als Weckruf für die Demokratie

Massenproteste gegen Rechtsradikalismus im Land, eine neue Verbotsdebatte, Gegenwind für die AfD und ein Aufstand der Demokraten: Ist ein Wendepunkt erreicht?

Zahlreiche Menschen nehmen auf dem Stuttgarter Schlossplatz an einer Demonstrationen gegen die AfD und Rechtsextremismus teil. Mit der Demonstration wollen die Teilnehmer ein Zeichen des Widerstands gegen rechtsextreme Umtriebe setzen.

dpa/Christoph Schmidt)

Stuttgart. Es tut sich was in unserem Land. Die breite linksliberale bis bürgerlich-konservative Mitte ist aufgewacht, und in so großer Zahl auf die Straßen gegangen, dass man sich an die „Lichterketten“ der 90er-Jahre erinnert fühlt. Das Geheimtreffen von Rechtsradikalen mit skurrilen Umsiedlungsfantasien für alle „Ausländer“ und deren Sympathisanten in Potsdam war der Anlass. Es hat ein Scheinwerferlicht auf das braune Gedankengut geworfen, das im Schatten der Migrationskrise gedeiht.

Remigration “ ist keine freundliche Form von Abschiebung, dahinter steckt ein völkisches Konzept von Rassenselektion und ethnischer Reinheit, das ganz bewusst in fataler Weise an die NS-Ideologie erinnert. Wenn dieser Unfug nur im harten Kern der rechten Szene ventiliert würde, könnte man das noch abtun. Aber „Remigration“ steht im Programm der AfD zur Europawahl. Björn Höcke spricht von „wohltemperierter Grausamkeit“ und will sich von „Teilen des Volkskörpers trennen“. Im ehemaligen Flügel der AfD gehört solcherlei Geschwurbel zum guten Ton. Auch das Diktum der „korrupten Altparteien“ dient der Diskreditierung der Demokratie.

In der AfD dominiert die rechte Strömung

Die AfD ist seit 2013 stets nach rechts gerückt, von Luckes-Euro-Honoratiorenpartei über die inzwischen ausgetretenen Ex-Vorsitzenden Frauke Petry und Jörg Meuthen. Nun dominiert die rechte Strömung, wenn auch nett verpackt in guten Umgangsformen, wie sie der Landeschef Markus Frohnmaier verkörpert: Knallhart in der Sache, aber freundlich und verbindlich im Tonfall.

Die AfD könnte jede Verbotsdebatte sofort im Keim ersticken, wenn sie sich von den rechtsradikalen Elementen trennen und von rechten Wirrköpfen distanzieren würde. Wobei sich die Frage stellt, ob sie dies überhaupt noch kann, Björn Höcke ist längst das Zentrum der Partei geworden, vor allem im Osten.

Lesen Sie hier: Am Stammtisch mit Hubert Aiwanger.

Doch ein Wendepunkt ist erreicht. Die Deportationspläne schrecken bürgerliche Protestwähler ab. Das Spektrum zersplittert sich mit dem links-rechtspopulistischen Bündnis Sahra Wagenknecht und Hans-Georg Maaßens „Werteunion“ als Partei. Und ein großer Teil der Bevölkerung widerspricht aktiv auch dem Narrativ, Flüchtlinge und Ausländer seien das Hauptproblem und für alle Unbill verantwortlich.

Zuversicht und Optimismus als Gegenmodell

Die große Einigkeit, die in diesen Tagen auf den Straßen demonstriert wird, sollte auch die Parteien des demokratischen Verfassungsbogen mahnen. Die wichtigen Probleme müssen gelöst werden, am besten im Konsens. Denn AfD & Co sind mehr als ein Sammelbecken für rechte Ideologen, ihr Aufstieg hängt auch mit Dysfunktionalitäten der parlamentarischen Demokratie zusammen.

Es braucht konkrete Verbesserungen, und eine Erzählung, wie wir aus der Krise kommen. Optimismus verbreiten, ein Wir-Gefühl und die Botschaft „Wir kommen da gemeinsam durch“. Denn genau das können die Populisten nicht: Lösungen anbieten und Zuversicht.

Rafael Binkowski

Chefredakteur des Staatsanzeigers

0711 66601 - 293

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