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Kommentar zur Kanzlerwahl

Ein fatales Signal für die Demokratie und das Land

Die gescheiterte Kanzlerwahl im Bundestag ist ein Fehlstart für die neue Regierung. Hoffentlich lässt sich das beim zweiten Anlauf korrigieren. Das Land braucht schnell eine handlungsfähige Regierung. Ein Kommentar von Chefredakteur Rafael Binkowski.

Friedrich Merz im Bundestag mit dem neuen Unionsfraktionschef Jens Spahn nach der gescheiterten Kanzlerwahl.

dpa/Lisi Niesner)

Berlin. Alles war angerichtet, der Flug des neuen Kanzlers Friedrich Merz am Mittwoch zum Antrittsbesuch in Paris schon gebucht. Doch dann das historische Ereignis: Erstmals scheitert ein Kanzlerkandidat im ersten Wahlgang im Bundestag. Nun ist das Mandat frei, und Fraktionszwang gibt es selbst in dieser entscheidenden Frage nicht wirklich. Dennoch muss man sich die Frage stellen: Wie konnte das passieren? Und wie geht es weiter?

Keine Frage, Friedrich Merz war immer schon ein polarisierender Politiker. Konservatives Profil, im Auftreten lässt er manchmal seine Überlegenheit spüren. Die Abstimmung zur Migration im Bundestag mit der AfD kurz vor der Wahl, sein Diktum von „grünen und linken Spinnern“ haben manche nicht vergessen. Vielleicht war auch der eine oder andere Unionsabgeordnete enttäuscht, bei der Regierungsbildung nicht bedacht worden zu sein.

Es gibt keinen Grund, Merz die Stimmen zu versagen

Doch den Kritikern von Merz sei gesagt: ein CDU-Politiker muss ein konservatives Profil haben, wenn er die Partei gegen eine rechtspopulistische AfD profilieren will. Und den 30 bis 40 Prozent konservativen Wählern ein Zuhause geben muss. Und am Ende ist der Koalitionsvertrag ein guter Kompromiss, in dem die SPD das aushandeln konnte, was möglich war mit dem magereren Wahlergebnis.

Einen Kommentar zur den SPD-Ministern lesen Sie hier

Die Kanzlerwahl ist der falsche Zeitpunkt, um alte Rechnungen zu begleichen. Das Land benötigt jetzt schnell eine handlungsfähige Regierung, um die Krisenstimmung mit Aufbruch, Optimismus und Reformen zu bekämpfen. Eine Hängepartie, gar Neuwahlen oder ein politisches Vakuum kann sich niemand leisten.

Nicht zuletzt der Südwesten mit der besonders heftig kriselnden Automobilindustrie wartet endlich auf Signale aus Berlin, auf Entbürokratisierung, Entlastung für die Wirtschaft, das Sondervermögen.

Nur die AfD profitiert von einer Verfassungskrise

Die einzigen, die von einer Hängepartie profitieren und jetzt schon feixend die Hände reiben, sind die Rechtspopulisten der AfD. Die haben in einer beispiellosen Kampagne versucht, Merz als „fiesen Fritz“ schon vor der Wahl noch heftiger zu dämonisieren, als sie es früher mit Merkel und Scholz betrieben haben. Bei Neuwahlen wären sie der Gewinner. Nicht weil sie Lösungen anbieten oder gar kompetente Politiker haben, sondern weil sie ein Sammelbecken für Frust sind.

Daher der Appell an alle Abgeordneten der Koalition in Berlin: Seid euch eurer Verantwortung bewusst, es geht um das Land, nicht um Parteipolitik. Es muss jetzt aus Berlin ein Zeichen des Neubeginns ausgehen, sonst rutschen wir noch tiefer in die Krise.

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