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Kommentar zu Cem Özdemir

Für die Grünen geht es 2026 um alles

Nach der Niederlage bei der Europawahl steht bei den Grünen im Südwesten alles auf dem Prüfstand. Warum sich angesichts der Verluste im ländlich-konservativen Raum die Reihen schließen und alle auf Cem Özdemir hoffen müssen.

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir soll Ministerpräsident Winfried Kretschmann nachfolgen. Das Bild stammt vom Uracher Schäferlauf, dort wurde 2023 das Jubiläum 300 Jahre Schäferlauf begangen.

dpa/Stefan Puchner)

Stuttgart. Die Tonlage in der grünen Landespartei hat sich geändert. Und auch in der grün-schwarzen Koalition. Oberflächlich ist alles beim Alten – Winfried Kretschmann präsidiert in der Villa Reitzenstein, Vizeministerpräsident Thomas Strobl (CDU) konzentriert sich auf sein Ministerium und die Koordination der CDU-Innenminister. Ums Alltagsgeschäft kümmern sich die Fraktionschefs Andreas Schwarz und Manuel Hagel.

Vor allem die Haushaltsberatungen beanspruchen alle Kräfte, die Kretschmann als „die schwierigsten meiner ganzen Amtszeit“ bezeichnet. Aber im Gegensatz zur Ampel in Berlin wird das nicht zur Sollbruchstelle der Koalition.

Die entscheidenden Brüche zeichnen sich hinter den Kulissen ab. Der Tonfall wird schärfer, wenn man übereinander redet, die CDU setzt erste Nadelstiche gegen Özdemir, bei den Grünen verweist man auf die „Unerfahrenheit“ Hagels. Der feilt am Profil und hat einen Kreis von Vertrauten um sich geschart, mit denen er die Strategie bespricht.

Wie Cem Özdemir seine Kandidatur vorbereitet lesen Sie hier.

Stürzen die Grünen 2026 ähnlich ab wie bei der Europawahl?

Wie sehr der Verlust des ländlichen Raumes bei der Europawahl die Grünen getroffen hat, ist mit Händen zu greifen. Dass die 32,6 Prozent der vergangenen Landtagswahl nicht mehr zu erreichen sind, ist jedem klar. Aber ohne Kretschmann-Bonus auf 13,3 Prozent abzustürzen, mithin also nicht mehr über dem Bundestrend zu liegen, das offenbart ein strategisches Dilemma. Der Übertritt der Mannheimer Grünen-Abgeordneten Melis Sekmen zur CDU verdeutlicht, dass man mit Verlusten zu rechnen hat. Sie hätte bei den aktuellen Umfragewerten keine Chance auf eine Rückkehr ins Parlament, während sie bei der CDU aufs Direktmandat hoffen darf.

Özdemir will ins bürgerliche Lager ausgreifen

Und so schließen sich die Reihen hinter Özdemir, obwohl der linke Flügel um den Vize-Fraktionschef Oliver Hildenbrand gerne einen anderen Kurs fahren würde. Und ob Özdemirs Vorstoß, den Tübinger OB Boris Palmer wieder in die Partei zu holen, überall Begeisterung findet, ist fraglich. Auch hätte gerne manche eine Frau zumindest mit im Rennen gehabt. Doch all diese Bedenken verpuffen angesichts der Aussicht, mit Cem Özdemir einen rhetorisch begabten Kandidaten mit Charisma aufzustellen. Nur er, so ist man sich bei den Grünen einig, kann Manuel Hagel, der mit der Kraft des Bundestrends kämpft, Paroli bieten.

Ein spannendes Duell Özdemir gegen Hagel steht bevor

Inwieweit das reicht, um 2026 noch hauchdünn vor der CDU zu liegen und die Villa Reitzenstein zu verteidigen, bleibt völlig offen. Als neutraler Beobachter darf man sich auf ein reizvolles Duell einstellen: Erfahrung gegen Jugend, eine soziale Aufstiegsbiografie gegen einen, der sich früh durchgesetzt hat. Die große Hoffnung in grünen Kreisen ist, sich vom Bundestrend und dem Chaos der Ampel abzukoppeln. Ein komplexes Unterfangen, die Aufgabe für Özdemir wird immer schwerer.

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