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Ausbildung Justizvollzug

Qualität Champions League, Personalausstattung Kreisliga

Sie haben ihre Zeugnisse in der Tasche – die neuen Anwärterinnen und Anwärter für den mittleren Vollzugs- und Werkdienst. Das Land braucht sie: In den Justizvollzugseinrichtungen fehlen Mitarbeitende in verschiedenen Bereichen.
Gruppe von Menschen in Uniformen wirft Hüte in die Luft, im Freien auf einer Wiese.

98 Absolventen feiern mit Justizministerin Marion Gentges die bestandenen Prüfungen.

Stephan Gilliar)

Stuttgart. 102 sind angetreten, 98 haben bestanden. Die Rede ist von den Anwärterinnen und Anwärtern, die sich der anspruchsvollen Laufbahnprüfung für den mittleren Vollzugs- und Werkdienst im Land stellten. Justizministerin Marion Gentges (CDU) ehrte die Absolventinnen und Absolventen bei der Abschlussfeier, die zum dritten Mal in der Stadthalle Asperg stattfand, und überreichte die Prüfungszeugnisse. Die angehenden Justizvollzugsbeamtinnen und -beamten trügen nun in zentraler Rolle zum Erhalt des Rechtsstaats bei, so Gentges. „Als Justizvollzugsbeamtinnen und -beamte werden Sie eine verantwortungsvolle und abwechslungsreiche Tätigkeit ausüben, die einen wesentlichen Beitrag zur Sicherheit unseres Landes und zur Resozialisierung der Ihnen anvertrauten Menschen leistet.“

Dass es davon mehr braucht, macht ein Blick auf die Homepage des Justizvollzugs deutlich. In den Justizvollzugseinrichtungen von Baden-Württemberg fehlen Mitarbeitende im juristischen und medizinischen Bereich, in der Psychologie, Sozialarbeit, Lehre, Pflege, im mittleren wie höheren Verwaltungsdienst und Vollzugsdienst.

Personalmarketing-Kampagne „Sei am Staat“ soll sichtbar machen

Laut Justizministerium ist die Stellenauslastung in den Karrieremöglichkeiten sehr unterschiedlich. In der personalmäßig größten Laufbahn des mittleren Vollzugsdienstes im Justizvollzug liege die Besetzungsquote derzeit bei rund 92 Prozent. „Aufgrund üblicher Personalfluktuation bestehen für leistungsstarke Bewerber im mittleren Vollzugsdienst stets Einstellungsmöglichkeiten!“ Die umfangreichen Werbemaßnahmen auf Messen, in Print und Online, Kino und Radio sowie Bewerbertage in Einrichtungen, die sowohl das Bildungszentrum Justizvollzug Baden-Württemberg (BZJV) als auch Justizvollzugsanstalten steuerten, trügen Früchte.

So sei die Zahl der ausgebildeten Beamtinnen und Beamten des mittleren Vollzugs- und Werkdienstes in den vergangenen sieben Jahren stark gestiegen. „Haben im Jahr 2018 noch 144 Anwärterinnen und Anwärter des mittleren Vollzugs- und Werkdienstes die Laufbahnprüfung bestanden, waren es im Jahr 2024 203 Beamtinnen und Beamte.“ Um die Sichtbarkeit des Justizvollzugs zu erhöhen und Bewerberzahlen stetig zu steigern, würden fortlaufend neue Werbemaßnahmen ergriffen, etwa sei man in der aktuellen Personalmarketing-Kampagne „Sei am Staat“ vertreten.

„Es gibt nichts, was es nicht gibt hinter Gittern“

Das begrüßt Michael Schwarz, Landesvorsitzender des Bunds der Strafvollzugsbediensteten (BSBD) – der Stellenaufwuchs unter Marion Gentges und ihrem Vorgänger Guido Wolf müsse sich fortsetzen. Er beschreibt es mit einem Bild aus dem Sport: „In der Qualität des Justizvollzugs, also Betreuung, Schutzauftrag, Vorbeugung, Resozialisierung und so fort, spielt Baden-Württemberg in der Champions League. Aber was die Personalausstattung angeht, das Verhältnis von Bediensteten und Gefangenen, da sind wir hinten in der Kreisliga.“ Auch in Sachen Supervision und psychologischer Dienst bräuchte es mehr Angebote.

Neue Kolleginnen und Kollegen zu finden sei besonders in den Bereichen schwer, wo die Wirtschaft gut aufgestellt sei und auch andere Behörden Mitarbeitende suchten. Man mache sich da quasi selbst Konkurrenz. Ein anderer Punkt seien – wie bei der Polizei – die Schichtdienste. „Wir müssen 24/7 ran, das versuchen wir so familienfreundlich wie möglich zu gestalten, was manchmal nicht einfach ist“, sagt Schwarz.

Doch so herausfordernd und auch mal belastend der Beruf – Schwarz würde ihn immer wieder wählen. „Es gibt nichts, was es nicht gibt hinter Gittern. Wir erleben die ganze Bandbreite des Lebens, das ist höchst spannend, oft neu, erfordert Toleranz“, sagt er. „Wir können Menschen drinnen und draußen, also der Gesellschaft helfen. Das gibt ein gutes Ge fühl.“

Duale Ausbildung

Zweimal jährlich, zum 1. April und 1. Oktober, starten bis zu 120 Nachwuchskräfte die duale Ausbildung zum mittleren Vollzugs- und Werkdienst am Bildungszentrum Justizvollzug sowie in den Justizvollzugsanstalten des Landes Baden-Württemberg. Je nach Laufbahn dauert sie 18 bis 24 Monate, verbindet theoretisches Wissen mit praktischen Fähigkeiten und bereitet so auf die vielfältigen Aufgaben im Berufsalltag vor.

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