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Welche Chancen gibt es für einen „Schulfrieden“?

Es soll der ganz große Wurf werden: Die vier großen demokratischen Parteien wollen die Schulstrukturen auf viele Jahre festzurren, Ruhe ins System bringen. Doch noch herrscht Kakophonie über das Gesprächsformat. Dennoch gibt es Lichtblicke im Bildungswald.

Oppositionsführer Andreas Stoch (SPD) war bis 2016 Kultusminister, Thesesa Schopper (Grüne) ist es jetzt. Finden sie einen Konsens?

dpa/Marijan Murat)

Stuttgart. Er hat es am eigenen Leib erfahren, wie schwierig es ist, in der Bildungspolitik etwas zu bewegen: Andreas Stoch, der SPD-Partei- und Fraktionschef, war selbst von 2012 an vier Jahre Kultusminister, etablierte die Gemeinschaftsschulen, und leistete auch in den Augen der CDU damals ordentliche Arbeit.

Nun kann der 54-jährige Oppositionsführer vielleicht erstmals seit dem Machtverlust 2016 wieder mitgestalten. Denn Grün-Schwarz will einen Konsens in der Bildungspolitik, der Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) spricht von einem Bildungsfrieden. Auch der FDP-Vormann Hans-Ulrich Rülke verspürt neue Tatkraft – und hat schon mal die Fraktionschefs ins Kloster Bebenhausen bei Tübingen eingeladen.

Wer lädt ein: die FDP, die Ministerin oder der Regierungschef?

Zeichnet sich ein Novum in der Landespolitik ab, ein B ildungskonsens aller Parteien des demokratischen Verfassungsbogens? Nahezu alle Themen liegen auf dem Tisch: G9, Grundschulen, Unterrichtsformen, Schularten, Grundschulempfehlung, das dreigliedrige Schulsystem.

Zunächst aber herrscht reichlich Verwirrung über das Gesprächsformat. Der Einladung Rülkes folgten bis auf die Grünen Andreas Schwarz alle Fraktionsführer. Doch auch die Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) wollte diese zu Einzelgesprächen bitten. Und nicht zuletzt der Regierungschef selbst will sich einschalten. Beobachter rechnen damit, dass diese Fragen noch in der Fasnetswoche geklärt werden können.

Wer macht welche Zugeständnisse?

Dann aber geht es ans Eingemachte: Wer gibt welches Lieblingsprojekt auf? CDU und FDP die Werkrealschulen? Grün-Rot die Gemeinschaftsschule? Einigkeit herrscht in der Frage, die Grundschulen besser auszustatten. „Jeder Euro für unsere Kinder ist ein Euro für die Zukunft. Das müssen wir im Haushalt priorisieren“, sagt Manuel Hagel, der CDU-Partei- und Fraktionschef Auch dass das neunjährige Abitur kommt, ist inzwischen unstrittig, es geht allenfalls noch um den Zeitpunkt. Die G-9-Initiative wird zunehmend ungeduldig, Corinna Fellner sagt: „Wir lassen nicht locker, bis ein akzeptables G9 beschlossen wurde und ein (…) Zeitpunkt feststeht.“

Der Zankapfel ist die Sekundarstufe II ab Klasse 5. Andreas Stoch sagt: „Das Ziel mus sein, dass wir über alle Punkte reden.“ Er fordert mehr Geld für die Bildungspolitik, mehr Personal an den Schulen, will nicht nur über die Schulstrukturen reden.

Ein Thema könnte der Schlüssel für eine Einigung sein: die Grundschulempfehlung. Deren Verbindlichkeit hatte Grün-Rot nach dem Machtwechsel 2011 abgeschafft. Die CDU-Fraktion hat auf ihrer Klausur im Kloster Schöntal nun eine Formulierung vorgeschlagen, die Empfehlung müsse wieder „verbindlicher“ sein. „Wenn ein ehrliches Interesse an einem Bildungskonsens besteht, darf niemand in den alten Schützengräben bleiben und deshalb bauen wir eine Brücke“, sagt der CDU-Chef Manuel Hagel.

Die Grundschulempfehlung könnte der Schlüssel werden

Einer hat diesen Weg schon beschritten: Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat im SWR die selbe Formulierung verwendet, und einen Test in Deutsch und Mathe am Ende von Klasse 4 ins Spiel gebracht. Können sich darauf alle einigen?

In der Grünen-Fraktion von Andreas Schwarz soll man von dem Vorstoß reichlich überrascht worden sein. Aber es gibt Bewegung, alte Positionen werden infrage gestellt. Und doch gibt es rote Linien. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke etwa fordert: „Eine Aufgehen der Realschulen in die Gemeinschaftsschulen kann ich mir nicht vorstellen.“

Schon einmal gab es einen Anlauf für einen „Schulfrieden“: Im Jahr 2014 luden der damalige SPD-Landeschef Nils Schmid und die FDP zu Gespräche ein, das ging im Streit um um die Gemeinschaftsschule unter. Zehn Jahre später sind die Grabenkämpfe erlahmt. Und Andreas Stoch bekommt als Bildungspolitiker in der Opposition eine zweite Chance.

Hans-Ulrich Rülke, FDP-Fraktionsvorsitzender im Landtag von Baden-Württemberg, spricht im Landtag bei einer Plenardebatte zum Tagesordnungspunkt: „Mut und Zuversicht statt Hass und Hetze – für eine Politik der starken demokratischen Mitte“.
Rafael Binkowski

Chefredakteur des Staatsanzeigers

0711 66601 - 293

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