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Kommentar zur Bildungspolitik

Winfried Kretschmann: Keine Politik des Erhörtwerdens

Die aktuelle Bildungsdebatte zeigt, wie wichtig Elemente direkter Demokratie sein können, politische Debatten anzuschieben. Allerdings zeigt sie auch, dass selbst der Erfinder der "Politik des Gehörtwerdens" manchmal anders entscheidet. 

Beim "Bildungsgipfel": Theresa Schopper, Manuel Hagel, Andreas Stoch, Hans-Ulrich Rülke, Andreas Schwarz, und Winfried Kretschmann

dpa/Bernd Weißbrod)

Die „Politik des Gehörtwerdens“ ist das Mantra der schon 13-jährigen Amtszeit von Winfried Kretschmann. Das Einbinden der Bürger, dialogische Entscheidungen statt von oben herab Politik in Hinterzimmern zu machen, das ist das bleibende Verdienst des grünten Regenten. Das sieht man an vielen kommunalen Beteiligungsformen. Aber auch auf Landesebene.

Diese Bilanz haben Kretschmann und seine Freundin und langjährige Staatsrätin Gisela Erler am Montag bei der Vorstellung ihres neuen Buches gezogen. Die aktuelle Bildungsdebatte ist dafür ein Musterbeispiel. Das Instrument der Volksinitiative wurde von Grün-Rot geschaffen, die G9-Initiative hat dieses genutzt, und die Blockade der Parteien in der Bildungspolitik damit gelöst. Kretschmann hat dann ein Bürgerforum aus Zufallsteilnehmern zu dem Thema eingesetzt, ausdrücklich auch mit Nichtakademikern. Nachdem sich dieses eindeutig für G9 ausgesprochen hatte, war der Konflikt de facto beigelegt.

Direkte Demokratie kann befrieden

Ähnlich lief es bei Stuttgart 21. Der Volksentscheid hat sich für das Großprojekt ausgesprochen, danach war der unerbittliche Konflikt befriedet, das Volk hatte gesprochen. Obwohl in beiden Fällen das Votum anders ausfiel, als es der Ministerpräsident politisch für richtig hielt. Das wiederum ist eine gewisse Ironie der Geschichte. Dass aber auch der Wegbereiter dieser neuen politischen Kultur nicht davor gefeit ist, mit zunehmender Amtszeit mit der Macht zu verwachsen, zeigen die Gespräche zur Bildungsallianz, die krachend gescheitert sind. Kretschmann hatte von Anfang an keine Lust, mit der Opposition zu verhandeln. Wäre es um einen parteiübergreifenden Konsens gegangen, hätte man Gespräche zu viert führen müssen, Kompromisse ausloten, jedem etwas anbieten und selbst Abstriche machen.

Wer waren die Akteure beim Bildungsgipfel in Bebenhausen?

Die Opposition hat man abblitzen lassen

Das hat nicht stattgefunden. Grün-Schwarz hat sich auf Eckpunkte geeinigt, d ie frühkindliche Bildung im Alleingang verkündet, die Opposition konnte nur noch zustimmen oder gehen. Das ist nicht die Form von Kommunikation auf Augenhöhe, die für alle eine gute Lösung sucht. Grün-Schwarz wollte als Regierung schlicht Handlungsfähigkeit demonstrieren und hat die Opposition abblitzen lassen.

Ist das ein Schaden für die Demokratie? Nein, denn der Wettbewerb der Ideen ist ein Kern ihrer selbst. Und es wurde ein Bildungskonsens in der Regierung über ideologische Gräben hin weg gefunden. Für den Bürger ist das Ergebnis wichtig, nicht der Weg. Es wurde allerdings eine Chance versäumt, ein tragfähiges Gerüst im Konsens für die Schullandschaft zu errichten. Politik des Gehörtwerdens bedeutet nicht unbedingt, auch erhört zu werden. Das wurde in diesem Fall glasklar durchexerziert.

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