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Innovation

Haus aus der Düse: 3D-Druck verändert das Bauwesen

Der 3D-Druck könnte das Bauwesen verändern. Das Bauunternehmen Züblin und das Unternehmen Instatiq haben ein neues 3D-Betondruckverfahren beim Bau von Mehrfamilienhäusern in Metzingen eingesetzt. Für die Zukunft planen die beiden Partner weitere Innovationen.
Person mit Helm bedient Maschine auf Baustelle, die Betonwände druckt.

Eine umgebaute Betonpumpe der Firma Putzmeister druckt massiv tragende Wände direkt auf der Baustelle. Dabei sind keine herkömmlichen Schalungen nötig.

INSTATIQ)

Stuttgart. 3D-Druck hat sich längst von kleinen Kunststofffiguren zu industriellen Anwendungen entwickelt. Im Bauwesen entstehen inzwischen tragfähige Betonwände direkt aus der Düse. Dabei fährt ein computergesteuerter Druckkopf schichtweise Betonbahnen aufeinander, bis die Wand steht. Auf die herkömmliche Schalung wird ganz verzichtet. Das Verfahren gilt als mögliche Antwort auf den Fachkräftemangel und könnte Bauzeiten deutlich verkürzen. Es steht jedoch noch am Anfang.  

„Für die Industrie gibt es noch viel Potenzial“, sagt Robin Degen, der bei Instatiq für die Produktentwicklung zuständig ist. Instatiq ist eine Ausgründung des Betonpumpenspezialisten Putzmeister aus Aichtal. Das Unternehmen arbeitet seit Jahren an der Weiterentwicklung des 3D-Betondrucks. Degen selbst ist seit 2019 Teil der Innovationsabteilung von Putzmeister und begleitet die technische Entwicklung seither. Von Projekt zu Projekt erkenne er deutliche Fortschritte. Inzwischen sei die Branche an dem Punkt, dass sich mit dem 3D-Druck Objekte „wirtschaftlich bauen lassen.“ Die Bauwirtschaft sei jedoch „keine innovationsfreudige Branche“, betont Degen: „Es braucht den Willen, etwas Neues zu machen und alte Stigmata zu überwinden.“ 

Für jedes Projekt ist eine Einzelfallzulassung nötig

Wie Innovationen in der Praxis aussehen könnten, zeigt sich bei aktuellen Projekten. Instatiq hat bei seinen jüngsten Bauvorhaben nicht nur tragende Wände gedruckt, sondern auch Leerrohre und Dosen für die Elektroinstallation integriert. Die Ingenieure testeten auch vorgefertigte Fensterelemente, die im Ganzen in das Gebäude eingeschoben werden können: „Das spart Zeit und erleichtert den Ausbau erheblich“, so Degen. Das Thema Dämmung stehe in der Entwicklung noch am Anfang.   

Die Technologie ist so neu, dass es bislang weder Normen noch gesetzliche Vorgaben gibt. Derzeit müssen alle Projekte als Sonderfälle genehmigt werden. Entweder über vorhabenbezogene Bauartgenehmigungen oder Zulassungen nach Einzelfallprüfung. „Innovative Technologien müssen schneller in die Praxis kommen“, fordert Degen. Die zähen Zulassungsverfahren müssten sich in Deutschland wie international ändern. 

Seit 2018 arbeitet Putzmeister mit dem Bauunternehmen Züblin als Forschungsgemeinschaft am 3D-Druck. „Das ist kein Sprint, sondern ein langer Weg“, sagt Alexander Kuhn, Bereichsleiter für Konstruktion und Technologie bei Züblin. Die Stärke der Partnerschaft sei, die „gleiche Vision“ zu haben, wie „das Verfahren in Zukunft funktionieren kann und in welche Richtung es geht.“ Um den Markteintritt zu beschleunigen, wollen die Partner ein Spin-off gründen. Die neue Firma soll nicht nur für Züblin bauen, sondern auch anderen Rohbauunternehmen und Bauherren 3D-Druck anbieten. Herzstück soll ein durchgängig digitalisierter Prozess sein. Von der BIM-Planung über die algorithmische Aufbereitung des Gebäudemodells bis hin zur automatisierten Produktion vor Ort.

Das verändert die Arbeit auf der Baustelle: „Es sind weniger körperlich anstrengende Tätigkeiten nötig, stattdessen wird die Bedienung des Roboters wichtiger“, so Kuhn. Ziel sei es, den 3D-Betondruck als Ersatz für den Mauerwerksbau zu etablieren. Das könne dem Fachkräftemangel entgegenwirken und die Bauberufe attraktiver machen. Der 3D-Druck verursache außerdem weniger Baulärm, da weder Kreissägen noch schwere Kranarbeiten nötig seien. Auf einigen Baustellen arbeiten die Maschinen sogar nahezu geräuschlos mit Elektroantrieb:„Der Betrieb ist flüsterleise und umweltfreundlich“, sagt Kuhn. Zudem lasse sich durch eine optimierte Betonrezeptur bis zu 40 Prozent CO₂ im Vergleich zu Kalksandsteinmauerwerk einsparen.

Der nächste Großauftrag ist ein Bürogebäude in Tirol

Das bisher größte gemeinsame Projekt war der Neubau von drei Mehrfamilienhäusern in Metzingen die ersten Wohneinheiten, bei denen das Betondruckverfahren in dieser Dimension angewendet wurde. „Unser Einstieg ist derzeit der Wohnungsbau“, so Kuhn. Optimal seien Projekte, bei denen eine Maschine das gesamte Gebäude abdecken kann. 

Das nächste Großprojekt: Ein internationaler Softwarekonzern will sein Hauptquartier in Tirol mit Hilfe der 3D-Druck-Technologie errichten. Geplant sind vier Obergeschosse mit je vier Metern Höhe, die von zwei Maschinen parallel gedruckt werden.

Lesen Sie hier wie ein ganzes Wohnhaus in nur 90 Stunden gedruckt wird.

Wie der Hersteller von Fertigbetonteilen jetzt mit dem 3D-Druck experimentiert.

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