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Marode Brücken: Wenn Schwertransporter Umwege fahren müssen

Vor allem Schwertransporte sind in Deutschland zu großen Umwegen gezwungen, weil die Tragfähigkeit vieler Brücken nicht ausreicht, um sie zu nutzen.
IMAGO/Funke Foto Services/Erwin Pottgiesser)Ehningen. Bei Liebherr in Ehningen an der Donau kennt man sich mit schweren Lasten aus. Die riesigen Kräne des Traditionsunternehmens sind weltweit begehrt. Die Nachfrage ist groß, was den Vertrieb prinzipiell freut. Doch dieser Erfolg ist regelmäßig mit der Frage verbunden: Wie kommt der Kran bis zum Einsatzort, dem Kunden oder an den passenden Nordseehafen? Auf dem direkten Weg wären es gut 730 Kilometer von Ehningen bis zur Kaimauer in Bremerhaven. Doch sie müssen beachtliche Umwege nehmen, denn nicht jede Brücke kann mit den teils mehr als 100 Tonnen schweren Kolossen befahren werden. Sie sind entweder marode oder werden gerade saniert. Den Weg von Schwertransporten bestimmen die Behörden entlang der Strecke. So kann den Liebherr-Planern ein Umweg über Magdeburg verordnet werden. Plötzliche Routenänderungen gehören dazu. Dann kann die Fahrt an die Nordsee von Oberschwaben locker auch mal bis vor die Tore Berlins führen. So kommen schon mal mehr als 1000 Kilometer zusammen. Das seien enorme Zusatzkosten für Personal und Sprit, stöhnt man in Ehingen. Aber auch für die Behörden bedeute die Suche nach noch tragfähigen Brücken auf der gewünschten Strecke ein wachsender Verwaltungsaufwand. „Wir merken jetzt an allen Ecken und Enden, dass die Infrastruktur bröckelt“, klagt Marcus Hover, Vize-Hauptgeschäftsführer des Verbands Verkehrswirtschaft und Logistik Nordrhein-Westfalen.
Spediteure können Mehrkosten oft nicht weitergeben
Der Großteil der Speditionen mit herkömmlichen Lastwagen ist aber auch betroffen. Umleitungen und lange Staus durch Baustellen wirbeln regelmäßig die Planungen der Disponenten durcheinander. Oft könne man die Mehrkosten nicht an die Kunden weiterberechnen, heißt es in der Branche. Die verweist darauf, dass zwar die Maut im Dezember wieder erhöht wird, dass aber das Geld nicht konsequent in den Erhalt der Straßen investiert werde. In Deutschland stehen insgesamt rund 130.000 Brücken. Davon gelten gut 16 000 als sanierungsbedürftig. Allein für die Bundes-Brücken muss der Steuerzahler rund 2,5 Milliarden Euro jährlich berappen. Viele dieser Bauwerke stammen aus den 1960er- Jahren. Dafür wurden Materialien verwendet, die nach 50 Jahren so problematisch sind, dass eine Sanierung oft nicht mehr möglich ist. Viele Bauwerke sind per se schon nicht für die heutige Belastung konzipiert worden. So hat sich der Güterverkehr seit 1960 mehr als verdreifacht. Allein zwischen 1991 und 2022 ist nach Berechnungen des Verbands der Deutschen Bauindustrie der inländische Güterverkehr um 74 Prozent gestiegen. Vier Fünftel werden über die Straße abgewickelt. „Ein einziger Lastwagen nutzt die Straße so stark ab wie viele Tausend Autos. Und hier leiden die Brücken besonders“, verdeutlicht die Autobahn GmbH die Belastung der Brücken.
Bundesrechnungshof beurteilt Sanierungspläne skeptisch
Oft bleibt nur Abbruch und Neubau, mit allen bürokratischen Hindernissen. So dauern die Genehmigungen samt der Umweltverträglichkeitsprüfungen meist immer mehrere Jahre. Entsprechen wartet auf die Behörden viel Arbeit. Allein im Zuständigkeitsbereich des Bundes gelten von etwa 40.000 Verbindungen gut 1600 als marode. Besonders angeschlagen sind die Autobahnbrücken. Von den bundesweit 3786 Autobahnbrücken mit einer Mindestlänge von 50 Metern erteilt die Bundesgütegemeinschaft Instandsetzung von Betonbauwerken 1382 Verbindungen die Zustandsbewertung „noch ausreichend“. Weiteren 378 bescheinigen die Experten den Bauwerkszustand „nicht ausreichend“. Bis 2032 soll zumindest ein Netz von Hauptverkehrsadern quer durch die Republik stehen, über das der Verkehr auf modernen oder sanierten Bauwerken ungehindert fließen soll. Das dafür entwickelte „Brückenmodernisierungsnetz“ deckt mit einer Länge von rund 6600 Kilometern etwa die Hälfte des Autobahnnetzes ab und umfasst rund 5200 Brückenbauwerke. Die geschätzten Kosten allein für die Modernisierung dieser Verbindungen betragen nach Angaben des Bundesverkehrsministeriums rund 9,3 Milliarden Euro. Der Bundesrechnungshof bezweifelt diese Pläne: „Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr wird sein Ziel verfehlen, bis spätestens 2032 alle maroden Brücken in besonders wichtigen Teilen des Autobahnnetzes modernisieren zu lassen – weiterer Verfall und Brückensperrungen sind vorprogrammiert.“ Die Gründe sind für den ADAC klar. Es gebe einfach nicht genügend Ingenieursnachwuchs. Dazu komme, dass die Firmen, die die Brücken im Auftrag des Bundes bauten, mehr Planungssicherheit bräuchten. Die ist mit dem Zusammenbruch der Ampel in Berlin jetzt erst recht nicht gegeben. Derzeit steht die Bundesregierung ohne Haushalt da. In Baden-Württemberg muss beispielsweise jede zehnte der rund 7300 Brücken an Bundes- und Landesstraßen aufgrund ihres Alters saniert oder ersetzt werden. Im Südwesten stehen auch 16 der 100 am stärksten angeschlagenen Autobahnbrücken Deutschlands. Konkret bedeuten diese Zahlen im Alltag viele Umwege und massive Einschränkungen.
165 Millionen Euro pro Jahr für Brücken im Land
In Ravensburg müssen beispielsweise gleich vier Bauwerke repariert oder sogar abgebrochen werden. Dazu zählt die „Nothelferbrücke“, über die die B 32 führt. Dabei wurde sie erst 2002 von Grund auf saniert. Eine weitere Brücke ist gar nicht mehr zu retten. Sie ist in ähnlicher Bauweise wie die Carola-Brücke in Dresden errichtet worden. Für den Schwerverkehr hat die Stadt bereits eine Not-Umgehung errichtet. Über die müssen demnächst alle fahren. Die Reparatur der „Meersburger Brücke“ ist hingegen so aufwendig, dass die darunterliegende Bahnlinie über Monate hinweg blockiert wird. Insgesamt investiert das Land Baden-Württemberg 165 Millionen Euro pro Jahr in die Erhaltung und Sanierung der Brücken. Ziel sei aber, diese Summe auf 300 Millionen Euro jährlich zu erhöhen, so Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne). Allerdings rügt die Opposition, dass das Sanierungsprogramm keine Sanierung der Landesbrücken vorsieht.
Unternehmerverband vermisst Gesamtkonzept für Sanierungen
Manuel Geiger vom Verband Unternehmer Baden-Württemberg (UBW), mahnt, dass jedes Jahr mindestens 100 Brücken saniert werden müssten. Diese Zahl bestätigt sogar auch Herrmann. „Sollte dies nicht gelingen, könnte der Verkehr zunehmend eingeschränkt werden müssen – zum Beispiel, weil ganze Brücken gesperrt werden müssen.“ Betroffen wären vor allem Unternehmen, weil zunächst der Schwerverkehr eingeschränkt werde. Solche Einsicht beruhigt die Wirtschaft aber nicht. Für die dringend notwendige Sanierung gebe es weiterhin kein Gesamtkonzept, klagt der UBW. „Es ist natürlich unpopulärer, Geld in den Erhalt der Infrastruktur zu stecken als in prestigeträchtige Neubauten, wo man dann ein Band durchschneiden kann“, stellt der Ravensburger Baubürgermeister Dirk Bastin fest. Letztlich sei die Infrastruktur so marode, weil in den vergangenen Jahrzehnten zu wenig investiert worden sei. „Das rächt sich jetzt.“