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Verfassungsschutzbericht 

Die hybriden Angriffe durch Russland nehmen stark zu

Innenminister Thomas Strobl (CDU) und die Präsidentin des Landesamts für Verfassungsschutz, Beate Bube, haben am Donnerstag den Verfassungsschutzbericht für 2024 vorgestellt. Aus dem geht hervor, dass die Lage sich nicht entspannt hat. Im Gegenteil: Die hybriden Angriffe durch Russland haben stark zugenommen.

Beate Bube und Thomas Strobl haben am Donnerstag den Verfassungsschutzbericht 2024 vorgestellt.

dpa/Christoph Schmidt)

Stuttgart. „Die Demokratie steht unter enormem Druck“, sagte Innenminister Strobl am Donnerstag im Landtag. „Die Sicherheitslage ist wirklich angespannt“, warnt auch Bube bei der Vorstellung des aktuellen Verfassungsschutzberichts. Demnach sind russische Spione in Europa so aktiv wie nie zuvor. Die Zahl der Angriffe sei stark angestiegen. Dabei ist Baden-Württemberg ein bevorzugtes Ziel. Auch China und Iran setzten Sabotage und Staatsterrorismus ein. Unverändert hoch ist auch die Gefahr durch Cyberangriffe ausländischer Nachrichtendienste. Der Südwesten stehe wegen seiner Firmen, wissenschaftlicher Institute und Militäreinrichtungen als sogenannte Host-Nation der NATO im Fokus, so Strobl.

Die Desinformation durch Russland nimmt stark zu

Die von Russland gesteuerte Desinformation hat dem Bericht zufolge einen neuen Höchststand erreicht. Diese hybriden Bedrohungen sind es Strobl zufolge auch, „die uns sicherheitspolitisch enorm fordern und die uns gesellschaftspolitisch vor große Herausforderungen stellen“. Russland wolle Ängste schüren. Und es setzt bei den hybriden Angriffen nicht mehr nur auf ausgebildete Agenten, sondern greift verstärkt auf „Low-Level-Agents“ zurück.

Für Aufsehen sorgten etwa Ende 2024 Sabotageakte bundesweit, unter anderem auch in Baden-Württemberg: Bei mehreren Autos wurden die Auspuffrohre mit Bauschaum verstopft, begleitet von Aufklebern mit der Aufschrift „Sei grüner“. Die Aktionen kamen als Klimaaktionen getarnt daher, doch hinter den Vorfällen steckten mutmaßlich russisch gesteuerte „Low-Level-Agents“, die die Bundestagswahl 2025 beeinflussen sollten. Anfang Mai hat die Bundesanwaltschaft in Köln, Konstanz und der Schweiz drei Männer wegen mutmaßlicher Agententätigkeit festnehmen lassen. Sie sollen sich gegenüber mehreren mutmaßlich von Russland beauftragten Personen bereiterklärt haben, Brand- und Sprengstoffanschläge auf den Gütertransport zu begehen, wie die Karlsruher Behörde mitteilte.

Sorgen bereitet auch der Extremismus von links und rechts

Mit Sorge beobachtet der Verfassungsschutz auch den Extremismus von links und rechts. Die Zahl der Rechtsextremisten ist in Baden-Württemberg von 2460 auf 3140 gestiegen. Strobl führt das vor allem auf eine Zunahme der Rechtsextremisten bei der AfD zurück. Auch die Zahl der Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund hat sich auf 2569 erhöht. Die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten stieg auf 54. Bei den Linksextremisten ist die Personenstärke mit 2700 fast unverändert, doch gab es mehr Straftaten (342), darunter auch Angriffe auf Rechtsextreme. Es kam zu Auseinandersetzungen an Wahlkampfständen, etwa in Stuttgart und Schorndorf. 34 linksextremistisch movierte Gewalttaten wurden gezählt. Strobl zufolge hätte man ohne die „gute Arbeit der Polizei“ vermutlich Verletzte, vielleicht sogar Tote bei diesen Auseinandersetzungen gehabt.

Die Gewaltbereitschaft nimmt derweil auch bei den „Reichsbürgern“ und Selbstverwaltern zu, denen insgesamt 4200 Personen zugerechnet werden. Zehn Prozent davon gelten als gewaltorientiert.

Bube: Der Nahostkonflikt wirkt als Brandbeschleuniger für Islamismus

Genauso nimmt die Gefahr durch den Islamismus zu, besonders besorgniserregend ist für den Verfassungsschutz, dass sich zunehmend junge Menschen radikalisieren – meist über die Sozialen Medien. Als Brandbeschleuniger für den Islamismus bezeichnete Bube den Nahostkonflikt. Die Sozialen Medien seien voll damit, eine Dauerbeschallung, die oft zu einer Radikalisierung führt. Auch auslandsbezogener Extremismus nimmt zu, etwa durch palästinensische Vereinigungen, die Israel mitunter das Existenzrecht aberkennen.

„Dieses Lagebild ist keine Entwarnung, dieses Lagebild ist ein Weckruf“, sagte Strobl. Die Arbeit des Verfassungsschutzes sei notwendiger denn je. Das sieht auch Bube so: „Unser gesetzlicher Auftrag ist so wichtig wie nie.“ Aber trotz der besorgniserregenden Entwicklungen beruhige sie, dass die Feinde der Demokratie nicht in der Mehrzahl seien. „Unser Rechtsstaat ist wehrhaft und kann sich verteidigen. Wir kommen unserer Aufgabe nach“, so Bube. Dabei steht die Prävention durch Information mit im Fokus.

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In eigener Sache:

Beate Bube, Präsidentin des Landesamts für Verfassungsschutz, spricht beim BOS-Tag des Staatsanzeigers am 11. November über die Gefahren durch und den Umgang mit der Desinformation: https://akademie.staatsanzeiger.de/bos-tag-2025/

Russland setzt vermehrt auf Low-Level-Agents

Sabotage und Vorbereitungshandlungen durch Russland stellen eine Gefahr für kritische Infrastrukturen und demokratische Prozesse dar. Jüngste Fälle, auch in Baden-Württemberg, zeigen, dass Russland verstärkt auf Low-Level-Agents, auch Proxies oder Wegwerfagenten genannt, zurückgreift. Sie werden von ausländischen Nachrichtendiensten angeworben, um einfache Tätigkeiten im Bereich der Spionage, Sabotage oder Propaganda durchzuführen. Durch mehrstufige Befehlsketten werden die Auftraggeber verschleiert. Russland lockt mit einer Bezahlung von häufig mehreren Hundert Euro pro Aktivität.

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