Bildungspolitik

G 9 kommt ab 2025, aber wie sieht es konkret aus?

Es ist sozusagen die Zeitenwende in der Landespolitik: Ab dem Schuljahr 2025/26 wird es flächendeckend wieder G9 geben. Auch schon für die dann beginnenden Sechstklässer. Um Konsens in Details wird aber weiterhin gerungen.

Anja Plesch-Krubner und Corinna Fellner, beide Initiatorinnen der Elterninitiative „G9 Jetzt! BW“ freuen sich über ihren Erfolg. Das Bild entstand im Herbst bei der Überbabe der Unterschriften an Landtagspräsidentin Muhterem Aras.

dpa/Marijan Murat)

Stuttgart . Für Corinna Fellner und Anja Plesch-Krubner ist es ein großartiger Erfolg – obwohl ihr Volksantrag auf sofortige Umstellung aller Gymnasialklassen auf neunjähriges Abitur am Mittwoch im Landtag abgelehnt wird. Doch alle Fraktionen lobten ihren Einsatz – und bekennen sich zu G9. „Ihre Initiative und Ihre Beharrlichkeit ist der Punkt, der heute zum parlamentarischen Erfolg geführt hat“, sagt Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne).

Gleichzeitig kündigt sie an, dass ab dem Schuljahr 2026/26 das neunjährige Abitur wieder die Regel sei. Und zwar – und das ist neu – nicht nur für die dann startenden Fünftklässler, auch die Sechsklässler sollen wählen dürfen. Der Volksantrag von Fellner und Plesch-Krubner hatte einen sofortige Umstellung aller Klassen gefordert. Für ein Schopperwäre das ein „Tohuwabohu“.

Kretschmann und Hagel ergreifen nicht das Wort im Landtag

So fällt Zeitenwende reichlich kurios und auch ein wenig glanzlos aus. Weder Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) noch CDU-Partei- und Landeschef Manuel Hagel ergreifen das Wort. Der geplante Gesetzesentwurf von Grün-Schwarz zu G9, den man eigentlich in einem Zug mit der Ablehnung des Volksantrages im Landtag beschließen wollte, wird erst einmal verschoben.

So bleibt es bei Appellen. „Wir nehmen Ihr Anliegen ernst“, ruft Grünen-Fraktionsvize Thomas Poreski der Elterninitiative zu. Und der CDU-Bildungssprecher Andreas Sturm kündigt einen Gesetzesentwurf „für ein modernes G9“ an. Kein Wunder, dass die Opposition scharfe Kritik übt. „Legen Sie endlich einen Gesetzesentwurf vor, wenn Sie den Volksantrag schon ablehnen“, so der SPD-Oppositionsführer Andreas Stoch. Die Regierung wolle „ein Häkchen daran machen“, dann aber mit dem Fuß auf die Bremse treten. Und Timm Kern (FDP) fasst es so zusammen: „Genug geredet, genug Einwendungen, dass G9 später kommen kann.“

Wichtige Gespräche hinter den Kulissen

Doch die Auftritte auf der öffentlichen Bühne des Landtages sind nur ein Spielort der großen Bildungsdebatte. Die wichtigen Gespräche finden hinter den Kulissen statt. Vergangenen Freitag rangen Grüne und Schwarze um ein G9-Konzept. Man traf sich im Gobelinsaal des Staatsministeriums, für die Sprachförderung an Grundschulen wurden 400 Millionen Euro als Summegenannt. Die Notenhürde fürs allgemeinbildende Gymnasium könnte von 2,4 auf 2,0 gesenkt werden. Oder die Grundschulempfehlung könnte durch einen Test erweitert werden. Hier hat aber die SPD Bedenken, das wird in der Landtagsdebatte deutlich. „Sie sind die einzige demokratische Fraktion, die hier noch mauert“, sagt Timm Kern, der bildungspolitische Sprecher der Liberalen, zur SPD hin.

Deren Fraktionschef Andreas Stoch warnt hingegen davor, „eine Gerechtigkeitslücke durch eine neue zu ersetzen“. Knackpunkt ist die Frage, wie die so genannte „zweite Säule“ neben den Gymnasien ausgestaltet sein könnte. Diskutiert werden so genannte Verbünde von Werkreal- und Realschulen oder sogar den Gemeinschaftsschulen, in denen die Abschlüsse erreicht werden können.

Gibt es Verbünde von Werkreal- und Realschulen?

Der Ministerpräsident Kretschmann wird dazu auf der Landespressekonferenz am Dienstag befragt, verweist auf die Vertraulichkeit der Besprechungen: „Das ist eine höchst sensible Frage. Da muss ich in der Kommunikation die Reihenfolge einhalten, weil darüber in der Koalition gesprochen wird.“ Aber auch in der Plenardebatte spricht Thomas Poreski als bildungspolitischer Sprecher der Grünen davon, in den Verbünden eine „konsequente lebens- und berufspraktische Ausbildung“ mit allen Abschlüssen möglich sein müsse, auch das Abitur nennt er ausdrücklich.

Denn das ist die Crux: Damit auch die 30 Prozent mit Gymnasialempfehlung, die bislang auf die Realschulen, nicht alle auf Gymnasium streben, müssen die neuen Schulverbünde als Alternative attraktiv sein.

Das immerhin könnte ein Konens der Gespräche zur Bildungsallianz sein, dem so genanten Schulfrieden sein, die am 2. Mai im Kloster Bebenhausen fortgesetzt werden. Hochspannung in einem zentralen Feld der Landespolitik also, der Konsens vor dem beginnenden Wahlkampf steht immer noch auf der Kippe.

Die Volksantrag-Initiatorinnen, Anja Plesch-Krubner und Corinna Fellner sprechen von einem „Riesenerfolg“ und deuten an, den Weg hin zu einem Volksentscheid gehen zu können, wenn die Politik zu wenig Elan entwickelt. Der Druck bleibt also hoch, am Dienstag wollen Grüne und CDU in einer gemeinsamen Fraktionssitzung Lösungen suchen.

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Rafael Binkowski

Chefredakteur des Staatsanzeigers

0711 66601 - 293

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