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Goll: Das Vorgehen ist eine Sauerei

Der Untersuchungsausschuss des Landtags zur Polizeiaffäre überlegt, Innenminister Strobl möglicherweise erneut vorzuladen

Für die Opposition weiterhin ungeklärt ist die Zukunft von Christian Gehring. Der Polizeiexperte der CDU-Landtagsfraktion steht unter Druck, weil er, wie FDP-Obfrau Julia Goll meint, „Fake News verbreitet hat“.

dpa/Marijan Murat)

Stuttgart. Innenminister Thomas Strobl (CDU) muss sich darauf einstellen, dass er erneut vor den parlamentarischen Untersuchungsausschuss geladen wird, der sich unter anderem mit seiner Brief-Affäre zu befassen hat. Anlass sind ausgerechnet Aussagen enger Mitarbeiter, die in deutlichem Widerspruch zu Angaben die der CDU-Landesvorsitzende selbst zur Basis eines entlastenden Gutachtens des renommierten Berliner Medienanwalts Christian Schertz gemacht hat. Darin wird ihm bescheinigt, die Weitergabe eines Anwaltsschreibens im Disziplinarverfahren gegen den vom Dienst suspendierten Inspekteur der Polizei ( IdP ) Andreas Renner sei nicht nur zulässig gewesen, sondern  sogar geboten und wünschenswert. Allerdings ging Schertz davon aus, dass der Journalist, dem das Schreiben überlassen wurde, von sich aus nach dem Brief gefragt habe. Nach der Aussage des früheren Leiters der Pressestelle im Innenministerium, bestätigt durch einen weiteren Beschäftigten, ist aber Strobl selbst auf diesen Brief zu sprechen gekommen und veranlasste die Weitergabe an den Pressevertreter.

Strobl muss möglicherweise wieder vor den Untersuchungsausschuss

SPD und FDP liebäugeln mit einer weiteren Ladung, selbst die Obfrau der CDU Christiane Staab sieht „bei divergierenden Äußerungen“ Aufklärungsbedarf, und ihr Grünen-Kollege Oliver Hildenbrand will alle bisherigen Aussagen zum Thema in den Protokollen auf Widersprüche abklopfen. Sogar CDU-Ausschuss-Mitglied Reinhard Löffler, selber Anwalt, ist über den Vorgang empört. Er wolle die Darstellung endlich abräumen, dass der Brief „ein unmoralisches Angebot“ enthalten habe,  zitierte er Strobls Einschätzung: „Das war ein gewöhnliches Anwaltsschreiben, das mache ich auch.“ Und Löffler wurde an anderer Stelle noch deutlicher: Dass das Innenministerium die Staatsanwaltschaft an Ermittlungen gehindert habe, „kenne ich nur aus totalitären Staaten“.

Übereinstimmend beschrieben die beiden Zeugen, dass der Journalist, der schlussendlich Empfänger wurde, am Ende eines Interview zur Cyberkriminalität gefragt habe, ob es Neuigkeiten im Fall des suspendierten Inspekteurs gebe. Von sich aus habe Strobl das Schreiben erwähnt und in kurzen Zügen seinen Inhalt dargestellt. Der Journalist habe sich an einer Berichterstattung darüber interessiert gezeigt, der frühere Leiter der Pressestelle dann von Strobl den Auftrag bekommen, es zu mailen: „Die Aufforderung des Ministers ist so klar ausgesprochen worden“, antwortete der Zeuge, der inzwischen im Ministerium für Grundsatzfragen zuständig ist, „dass es überhaupt keinen Ermessensspielraum gegeben hat.“

Goll : „Ich kann das unmoralisch nennen“

Schertz war dagegen davon ausgegangen – „Ich stehe mit Wort und Namen für meine Einschätzung“ -, dass der Journalist konkret nach dem Brief gefragt hat. Daraus leitete der Gutachter die Verpflichtung zur Herausgabe nach dem Presserecht und dem Informationsfreiheitsgesetz ab. Auch die Öffentlichkeit sei angelogen worden, empörte sich FDP-Obfrau Julia Goll . Der Minister habe die Justiz vier Monate lang nach dem Leck suchen und gegen Unbekannt ermitteln lassen, im Wissen, dass er selbst für die Übergabe des Briefs gesorgt hatte: „Ich kann das nur unmoralisch nennen.“ Boris Weirauch (SPD) sprach von Strobl als einem „politischen Hasardeur“, und verlangte mit Blick auf einen weiteren Auftritt, „dass er seinen Blick auf die Wahrheit nicht immer neu anpasst“. Die Opposition verwies zudem darauf, dass die Aussagen der Ministeriumsmitarbeiter auch die Darstellung des Journalisten vor dem Gremium bestätigten.

Fest steht, wer in der nächsten Sitzung Mitte Oktober geladen ist, in der abermals die Besetzungs- und Beförderungspraxis im Ministerium zentraler Gegenstand ist. Gehört werden unter anderen Strobls Vorgänger Ex-Innenminister Reinhold Gall (SPD) und LKA-Präsident Andreas Stenger . Fixiert sind inzwischen Termine bis in den Juli 2024, weil noch immer die Vernehmungen von mehr als drei Dutzend Zeugen und Zeuginnen auf dem Programm des Ausschusses stehen.

Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer

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