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„Wir brauchen ein Klima, das Unternehmertum fördert“

Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut will mit Wirtschafts- und Verbandsvertretern in Brüssel auf Reformen drängen.
Wirtschaftsministerium BW/ Zacarias Garcia)Stuttgart . Die EU verliert im globalen Wettbewerb an Boden – vor allem gegenüber den USA und China. Davor warnte schon Mario Draghi als Sonderbeauftragter der EU eindringlich vor einem Jahr. In seinem Bericht für die EU-Kommission legte der Ex-Notenbankchef rund 383 Vorschläge vor, um gegenzusteuern. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) kündigte daraufhin Anfang des Jahres eine Kurskorrektur an: Die Wettbewerbsfähigkeit soll nun Vorrang vor dem Green Deal erhalten. Doch der „Tanker Brüssel“ ist träge − wo jetzt Eile geboten wäre. Denn die vielen Pflichten und Verbote aus Brüssel gelten vielen Unternehmen längst als größtes Hindernis für Investitionen, gleich nach den hohen Energiepreisen.
40 Unternehmenschefs reisen mit nach Brüssel
Jetzt da Südwest-Unternehmen, Industriearbeitsplätze zu Tausenden abbauen, wächst die Ungeduld mit Brüssel. Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) hat 40 Unternehmenschefs, etwa von SAP, Trumpf und Zeiss, sechs Verbandspräsidenten und 20 IHK-Chefs vereint, um sich bei zweitägigen Gesprächen in Brüssel bei EU-Vertretern Gehör zu verschaffen. Im Gepäck hat sie ein Positionspapier, in dem sie auf Entlastungen für kleine und mittlere Unternehmen drängt und eine innovationsfreundliche Industriepolitik einfordert. „Entscheidend ist ein Klima, das Unternehmertum fördert und technologischen Fortschritt ermöglicht“, so Hoffmeister-Kraut. Angesichts der Misere im Autoland Baden-Württemberg will sie erneut das Verbrenner-Verbot ab 2035 zur Debatte stellen. Und weil die USA und China vehement auf nationale Interessen setzen, gerät auch der unvollendete EU-Binnenmarkt ins Visier. „Die EU steht innen wie außen vor neuen Realitäten. Jetzt gilt es, den Binnenmarkt zu vereinfachen“, sagt sie. Trotz jahrzehntelanger Integration bestehen weiterhin hohe Hürden. Für deutsche Unternehmen etwa bei der Entsendung von Mitarbeitern nach Frankreich. Betriebe müssen dafür umfangreiche Dokumentationen wie Arbeitsverträge, Sozialversicherungsnachweise und Meldeformulare vorlegen.
Zur Delegation der Ministerin gehört auch Thomas Bürkle, Präsident des Unternehmerverbands UBW: „Wir brauchen dringend entschlossene Reformen zur Verbesserung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit“, sagt er. „Bürokratieabbau, bezahlbare Energie und ein starker Binnenmarkt sind für unsere Betriebe unverzichtbar.“ Bürkle, selbst Chef einer Unternehmensgruppe in Stuttgart, fordert von der EU-Kommission, „jetzt die Empfehlungen des Draghi-Berichts umzusetzen“. Denn bislang ist wenig geschehen. Der European Policy Innovation Council, ein Think Tank der die Umsetzung der Draghi-Vorschläge beobachtet, hält die Ergebnisse für „ernüchternd“: Von 383 Empfehlungen wurden nur elf Prozent umgesetzt. „Die EU muss wieder greifbare Gründe liefern, dass mittelständische Unternehmen mehr Nutzen als Belastung im geeinten Europa erkennen“, sagt Rainer Reichhold, der Präsident von Handwerk BW, der mit nach Brüssel fährt. „Gerade kleine und mittlere Betriebe dürfen nicht durch Berichtspflichten oder Lieferkettenauflagen überfordert werden“, sagt er.
Industrie und Handel nehmen hohe Energiekosten ins Visier
Jan Stefan Roell, der Präsident des Baden-Württembergischen Industrie- und Handelskammertags, hat die hohen Energiekosten im Visier. Roell zufolge brauche es endlich einen „vollendeten Energiebinnenmarkt“. Er sei „das Rückgrat für Europas Wettbewerbsfähigkeit“. Ob die Stimmen aus Baden-Württemberg Gehör finden, bleibt offen. Hoffmeister-Kraut kündigte an, den Dialog zwischen EU-Institutionen und Unternehmen aus dem Land intensivieren zu wollen: „Erst der direkte Austausch schafft echtes Verständnis für die Praxis.“
Positionspapier: Bremsen im Binnenmarkt lösen
Das Wirtschaftsministerium will in Brüssel ein Positionspapier mit wirtschaftspolitischen Prioritäten vorlegen. Im Fokus steht die Stärkung des Binnenmarkts: „Grenzregionen leiden unter unterschiedlichen Regeln. Wir brauchen praktische Lösungen.“ Dazu gehört, Berufsqualifikationen schneller anzuerkennen, Entsenderegeln zu vereinfachen und Verwaltungsverfahren so zu digitalisieren, dass Unternehmen Informationen nur einmal bereitstellen müssen.