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Energiewende

Der Klimawandel beeinflusst die Versorgungssicherheit

Die bisherigen Netzentwicklungspläne greifen einer neuen Studie des Übertragungsnetzbetreibers Transnet BW zufolge zu kurz, um künftig beim Strom Versorgungssicherheit zu garantieren. Bei der Planung der Übertragungsnetze und von Ersatzkraftwerken seien bisher extreme Wettersituationen zu wenig berücksichtigt, um eine sichere und bezahlbare Stromversorgung ab 2050 sicherzustellen.

Derzeit entsteht das Stromnetz für die Energiewende, wie hier der Konverter in Philippsburg für die Umwandlung von Gleich- in Wechselstrom. Ob die Auslegung und die Erzeugungskapazitäten in jedem Fall ausreichen, hat eine Studie untersucht.

dpa/Bernd Weißbrod)

Stuttgart. Der oberste Chef der EnBW-Tochter Transnet-BW, Werner Götz , wies schon in seinem Eröffnungsstatement bei der Vorstellung der Studie „ Adequacy 2050“ auf den Kern der Untersuchung hin. „Das Wetter wird zum Schlüsselfaktor für die Versorgungssicherheit“, sagte er mit Blick auf die Zeit in 20 bis 25 Jahren, wenn die Klimaneutralität erreicht sein soll. Adequacy steht dabei für Versorgungssicherheit im Stromsystem. Bislang, so eines der wichtigsten Ergebnisse der Analyse, wurde in den Netzentwicklungsplänen „aufgrund zu stark vereinfachter Wetterannahmen“ der Bedarf an Netzinfrastruktur und ergänzenden Maßnahmen zur Flexibilisierung von Stromverbrauch- und Produktion unterschätzt.

Das Team um Massimo Moser und Georgios Savvidis hat ermittelt, dass Extremwetterereignisse zu erheblichen Schwankungen in der Stromproduktion führen können. Sie hatten in ihren Modellrechnungen Hitzewellen mit 37 Tagen über 28 Grad, Kälteperioden mit 42 Frosttagen und Phasen mit geringer Stromproduktion angesetzt. Durch solche Wetterereignisse könne der Ertrag aus Windkraft um bis zu 15 Prozent von einem Jahr zum anderen schwanken, bei der Photovoltaik um etwa fünf Prozent. In Summe geht es bei der Differenz um rund 150 Terrawattstunden Strom, was etwa zwölf Prozent des angenommenen Strombedarfs in Deutschland im Jahr 2045 entspreche, wie Moser erläuterte.

Grenzüberschreitende Stromnetze können Kosten reduzieren

Doch für solche Szenarien seien die Kapazitäten der Stromübertragungsnetze, wie sie im Netzentwicklungsplan 2023 zugrunde gelegt sind, nicht ausreichend, wurde in der Studie ermittelt. In einem Hitzejahr komme es im Netz zu mehr als 500 Gigawattstunden Last- oder Transportverlust und rund 40 Stunden, in denen die Stromnachfrage das Angebot deutlich übersteigt. Kommt dann noch dazu, dass nur die Hälfte der Stromkunden ihren Verbrauch vollständig nach dem Angebot richten, würde die Unterdeckung auf 168 Stunden steigen.

Volkswirtschaftlich hätte das erhebliche Auswirkungen. Der Studie zufolge würden sich die durchschnittlichen Großhandelspreise für Strom von 69 auf 136 Euro pro Megawattstunde fast verdoppeln. Die Kosten für zusätzliche Importe, vor allen von Wasserstoff, um die Stromlücke auszugleichen, werden auf 26 Milliarden Euro in einem Hitzejahr beziffert. In einer Kälteperiode fielen für die zusätzliche Bereitstellung von Wärmeenergie bis zu 20 Milliarden Euro an.

Ein wesentliches Mittel, um solchen Risiken vorzubeugen, sehen Moser und Savvidis in der stärkeren grenzüberschreitenden Verbindung der Stromnetze. „Ein klimaneutrales Energiesystem kann nur gelingen, wenn Europa als integrierter Energiemarkt handelt“, heißt es in der Zusammenfassung der Studie. Wenn über die im Netzentwicklungsplan hinaus festgelegten Verbindungen investiert werde, könnte dies die Kosten für das europäische Stromsystem um bis zu 18 Milliarden Euro pro Jahr reduzieren – 1,5 Milliarden davon in Deutschland.

Stromverbraucher müssen flexibler werden

Handlungsbedarf sieht man bei Transnet BW aufgrund der Analyse aber auch im Inland. Um in den ungünstigsten Szenarien Versorgungssicherheit zu gewährleisten, brauche es mehr wasserstofffähige Kraftwerke als bisher geplant und/oder in größerem Umfang Großbatteriespeicher.

Reduzieren ließen sich die kostenträchtigen Großanlagen, wenn die Stromverbraucher möglichst flexibel agieren. Dazu gehöre, etwa E-Autos nicht am Abend zu laden, wenn viel Strom verbraucht wird, sondern erst in der Nacht. „Smart ist nicht genug. Marktorientierung ist künftig notwendig“, fasste Savvidis das netzdienliche Verbraucherverhalten zusammen. Dafür müssten Smart Meter flächendeckend und dynamische Tarife eingeführt und die Akzeptanz für neue Tarifmodelle erhöht werden.

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