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Empfänger von Corona-Soforthilfen sollen nun auch noch Zinsen zahlen

Um die Rückzahlungen von Corona-Soforthilfen droht weiterer Streit. Mehr als 12.000 Betroffene sollen auch noch Zinsen für die Hilfen zahlen.
Imago/Steinach)Stuttgart/Radolfzell. Für Hans Rebholz war das Thema Corona-Soforthilfe im Sommer vergangenen Jahres erledigt. Da zahlte der Winzer aus Radolfzell am Bodensee die 9000 Euro, die ihm die L-Bank zu Beginn der Pandemie bewilligt hatte, zurück. „Es kam damals für uns doch nicht so schlimm, wie ich damals befürchtet hatte“, sagt der Inhaber eines kleinen Weinguts heute.
Doch Ende Oktober bekam Rebholz erneut Post von der staatlichen Förderbank und versteht die Welt nicht mehr. Für die zurückgezahlten 9000 Euro Förderung soll er nachträglich 2029,77 Euro Zinsen zahlen. Die Höhe der Forderung überrascht selbst Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) , als sie auf diesen Fall angesprochen wird.
L-Bank will über 50 Millionen Euro Zinsen eintreiben
Rebholz ist jedoch kein Einzelfall. Ein Ravensburger IT-Unternehmer soll 1782 Euro zurückzahlen, obwohl er die Rückzahlung fristgerecht erledigt hat, wie er der Schwäbischen Zeitung sagte. Und die L-Bank nennt konkrete Zahlen. Bislang seien in den vergangenen Wochen über 3700 Zinsbescheide verschickt worden. Insgesamt werden damit rund 4,6 Millionen Euro nachgefordert.
Darunter sind auch über 700 Fälle auf Grundlage der ersten Richtlinie des Landes für die Corona-Soforthilfen. Das teilte das Wirtschaftsministerium auf einen Antrag der FDP-Fraktion im Landtag mit. In solchen Fällen hatte der Verwaltungsgerichtshof Mannheim eine Rückforderung der Soforthilfen als nicht zulässig erklärt.
Und es kommen offenbar noch mehr. In der Antwort auf den FDP-Antrag ist die Rede von insgesamt 12.278 offenen und abgeschlossenen Fällen mit Forderungen von zusammen mehr als 50 Millionen Euro.
Anwältin erhält drei bis fünf Anfragen pro Woche
Viele der Betroffenen wollen sich mit der Zinsforderung der staatlichen Förderbank nicht abfinden. „Ich habe Widerspruch eingelegt“, erklärt Hans Rebholz. Andere wenden sich direkt an Anwälte, die mit dem Thema Corona-Soforthilfen vertraut sind. „Wir bekommen pro Woche derzeit vier bis fünf Anfragen zu den Zinsbescheiden“, sagt Christina Oberdorfer. Die Stuttgarter Rechtsanwältin von der Kanzlei von Buttlar Rechtsanwälte hat mehrere Klienten in Prozessen um die Rückzahlung der Soforthilfen erfolgreich vertreten.
Die Juristin hält das Vorgehen der L-Bank für rechtswidrig. Denn Paragraf 49 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes (LVwVfG) sehe vor, dass von einer Zinserhebung abgesehen werden könne, wenn die Betroffenen die Umstände, die zur Aufhebung der Soforthilfebescheide geführt haben, nicht zu vertreten hätten. Und solche Umstände, sieht Oberdorfer nicht.
Zinsen laut L-Bank nur für säumige Zahler, bei verspäteter Rückmeldung und Betrug
Die L-Bank verweist auf das LVwVfG und die Haushaltsordnung und vor allem darauf, dass nur ein Bruchteil der Empfänger Zinsen zahlen müsse. Das gelte nur für Fälle, in denen „Zahlungsfristen ohne weitere Erklärung, beispielsweise in Form eines Antrags auf Stundung oder Ratenzahlung, nicht eingehalten werden oder wenn vorliegende Rückmeldepflichten nicht oder erst deutlich verspätet und nach nochmaliger Erinnerung erfüllt wurden“, so die Sprecherin. Hinzu kämen Betrugsfälle.
Zu all diesen Fällen will sich Hans Rebholz aber nicht zählen lassen. Es könne sein, dass er die Rückzahlung wenige Tage zu spät überwiesen habe. Wenn er wie bei verspäteten Steuerzahlungen üblich für diese Tage Verzugszinsen zahlen müsste, würde er das akzeptieren, sagt der Winzer.
Scharfe Kritik der FDP am Wirtschaftsministerium
Doch die L-Bank berechnet Zinsen bis zum Zeitpunkt der Bewilligung im Mai 2020. „Wenn ich damals gewusst hätte, dass ich Zinsen zahlen muss, wäre ich zu meiner Hausbank gegangen“, sagt Rebholz. „Das wäre deutlich billiger gewesen.“
Die Wirtschaftsministerin selbst gab sich in der Landespressekonferenz über die Zinsforderungen der L-Bank nicht informiert. Dabei hatte ihr Haus wenige Tage zuvor in ihrem Namen den Antrag der FDP dazu beantwortet. Das Urteil des Antragstellers Erich Schweickert ist deshalb deutlich: „Das Wirtschaftsministerium weiß bei den Corona-Soforthilfen nicht, was es tut; kommuniziert schlecht und lässt die Unternehmen im Unklaren.“
L-Bank hält sich Rechtsmittel offen
Am Dienstag erklärte Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut , dass das Land gegen die Urteile des Verwaltungsgerichts in Sachen Corona-Soforthilfen keine weiteren Rechtsmittel nutzen wolle, also auf eine Nichtzulassungsbeschwerde verzichten will. Einen Tag später erklärte die L-Bank dazu, dass die Urteile noch geprüft würden. „Stellungnahmen oder Bewertungen sowie eine Einschätzung zu etwaigen Konsequenzen können noch nicht abgegeben werden“, teilte eine Sprecherin auf Anfrage mit.