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Vermesser sind gegen Pläne von Ministerin Razavi

Jährlich werden rund 10 000 Anträge auf Flurstückszerlegung von den freiberuflich tätigen Vermessern bearbeitet.
IMAGO/Pond5 Images)Stuttgart . Wenn Vermesser kommen, geht es darum, Grenzen festzustellen, Eigentumsrechte zu dokumentieren, Straßen, Leitungen und Gebäude zu planen oder das amtliche Liegenschaftskataster fortzuführen. Bisher wurden diese Leistungen ganz überwiegend von Freiberuflern, sogenannten öffentlich bestellten Vermessungsingenieuren (ÖbVI) ausgeführt.
Die Landesregierung plant nun, diese Aufgaben verstärkt durch die unteren Vermessungsbehörden (UVB) − also kommunale oder kreisbezogene Ämter − erledigen zu lassen. Nicole Razavi (CDU), die als Ministerin für Landesentwicklung und Wohnen zuständig ist, will dafür das Vermessungsgesetz ändern. Im Oktober fand dazu im zuständigen Ausschuss im Landtag eine öffentliche Anhörung statt.
Freiberufler sollen 80 Prozent der Aufträge übernehmen
„Die Vermessungsverwaltung leidet sehr am Fachkräftemangel. Hinzu kommt eine große Pensionierungswelle“, so Razavi. „Deshalb müssen wir die Tätigkeit attraktiv halten und die Funktions- und Leistungsfähigkeit der unteren Vermessungsbehörden sicherstellen“, sagt sie. Diese sollen Fachwissen aufbauen, indem sie etwa die Aufteilung von Flurstücken in mehrere neue, eigenständige Flurstücke in der Praxis selbst ausführen. Dies gehöre „zu den attraktiven technischen Tätigkeiten“ und sei damit für die Nachwuchsgewinnung von großer Bedeutung, so Razavi.
Jährlich werden rund 10 000 Anträge auf Flurstückszerlegung von den freiberuflich tätigen Vermessern bearbeitet. Die letzte große Gesetzesänderung im Jahr 2010 hatte ihnen solche Vermessungsdienstleistungen fast ausschließlich übertragen: 80 Prozent aller Aufträge sollen sie übernehmen, 20 Prozent staatliche Vermessungsingenieure.
Die sehr restriktive Regelung in Paragraf 8, Absatz 2 des Vermessungsgesetzes habe jedoch dazu geführt, dass der Privatisierungsgrad seit 2018 über den angestrebten 80 Prozent liege − mit zunehmender Tendenz, so Razavi. Bei den unteren Vermessungsbehörden der Landratsämter liege er derzeit im Durchschnitt bei knapp 87 Prozent, in einzelnen Kreisen sogar bei über 94 Prozent. Ein derartiger Zuwachs sei bei der Aufgabenzuweisung an die ÖbVI im Jahr 2010 nicht absehbar gewesen. Das will Razavi nun gesetzlich ändern.
Mit der Nachjustierung wolle man keineswegs die Privatisierung im amtlichen Vermessungswesen zurückdrehen, erklärt Razavi. „Wir kehren lediglich dahin zurück, worauf wir uns vor vielen Jahren schon verständigt haben. Den Vorrang der privaten Leistungserbringung will Razavi durch limitierende Faktoren absichern: So dürfen die öffentlichen Stellen nur zehn Anträge je Landkreis und Kalenderjahr mit einer durchschnittlichen Anzahl von drei bis vier Flurstücken pro Zerlegungsantrag bearbeiten. Die hiermit erzielten Einnahmen je Landkreis dürfen zudem 36 000 Euro nicht überschreiten.
Die Ingenieurkammer lehnt die Pläne dennoch ab. Kammervorstand Guido Hils, beratender Ingenieur aus Stuttgart und selbst öffentlich bestellter Sachverständiger für Vermessungswesen, zweifelt, dass es bei der 80-20-Regelung bleiben werde. Er fürchtet, dass den Freiberuflern „sehr viel Umsatz“ verloren gehen werde. „Öffentlich bestellte Vermessungsingenieure sind verpflichtet, alle Aufträge anzunehmen. Es gibt sehr viele Vermessungen, bei denen die Büros draufzahlen, etwa Grenzfeststellungen“, sagt Hils. Deshalb seien die Büros darauf angewiesen, auch lukrative Aufträge zu erhalten. Genau diese könnten künftig zu den unteren Vermessungsbehörden abwandern, warnt er. Das wäre für Freiberufler mitunter existenzbedrohend.
FDP warnt vor einem massiven Eingriff in den Markt
Der FDP-Landtagsabgeordnete Erik Schweickert, Vorsitzender des Wirtschaftsausschusses, warnt vor einem „massiven Eingriff in den Markt“. „Ausgerechnet in Zeiten der Krise in der Bauwirtschaft will die Landesregierung privaten Anbietern Aufträge streitig machen. Das gefährdet mittelständische Existenzen“, sagt er.
Schweickert vermutet, dass sich der Streit vor allem um die lukrativen Aufträge drehen werde, etwa die Vermessung neuer Baugebiete. „Es gibt Landkreise, da gibt es nur ein einziges Vermessungsbüro mit zwei Personen und zwei Azubis. Wenn Sie denen 36 000 Euro Umsatz pro Jahr wegnehmen, müssen die eine halbe Stelle und einen Azubi streichen“, so der FDP-Politiker. „Wenn öffentliche Hand und private Anbieter die gleichen Leistungen erbringen, muss klar gelten: privat vor Staat.“
Beschluss im November
Es geht bei der angestrebten Änderung des Paragrafen 8 Abs. 2 VermG um die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der unteren Vermessungsbehörden. Sie haben die staatliche Aufgabe, das Liegenschaftskataster zu führen. Der Gesetzentwurf ist im Juli 2025 in erster Lesung im Landtag beraten worden. Nach der öffentlichen Anhörung im Oktober steht nun im November die eigentliche Ausschussberatung und die 2. Lesung mit Beschluss des Gesetzentwurfes an.