Alle Landtagsfraktionen lehnen Dobrindt-Maut ab
Stuttgart. Alle vier im Landtag vertretenen Fraktionen und Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) lehnen die von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) geplante Pkw-Maut ab. Diese Maut habe keine Lenkungswirkung, sagte Hermann am Mittwoch in der von der FDP-Fraktion beantragten aktuellen Debatte. Er forderte stattdessen vom Bund einen Sanierungsfonds in Höhe von 28 Milliarden Euro sowie den Ausbau der Lkw-Maut auf Bundesstraßen und kleineren Landstraßen. „Wir brauchen mehr Haushaltsmittel und mehr Nutzermittel“, erklärte der Minister. Gerade die Lkw würden zwar die Land- und kleineren Straßen „kaputt machen“, würden aber nur bei Autobahn-Fahrten zur Kasse gebeten.
Auch für den SPD-Abgeordneten Hans-Martin Haller steht fest: „Die Dobrindt-Maut taugt nicht. Die Dobrindt-Strobl-Maut taugt zweimal nicht..“ Damit spielte er auf Forderungen des CDU-Landesvorsitzenden und Bundes-Vize Thomas Strobl an, der jüngst wie andere Politiker Ausnahmen für grenznahe Gebiete gefordert hatte. Die CDU ist aus Sicht von Haller der „Maut-Versager“. Dagegen bezeichnete er die grün-rote Landesregierung als „Schrittmacher“ für eine bessere Infrastruktur; die Landesregierung habe mehr Geld aus Steuermitteln bereitgestellt, um die Straßen im Südwesten „nicht weiter verloddern“ zu lassen. Der Bund habe ein Kernproblem: Zwar würden 50 Milliarden Euro aus der Kfz- und der Mineralölsteuer in den Haushalt fließen, aber nur 30 Miiliarden kämen der Verkehrsinfrastruktur zugute, erklärte Haller.
FDP spricht von „bürokratischem Monster“
Jochen Haußmann und Hans-Ulrich Rülke (beide FDP) warfen Dobrindt vor, er fabriziere mit der Straßen-Maut ein „bürokratisches Monster“ statt für effektiven Straßenbau zu sorgen. Die FDP trete für eine Autobahn-Vignette wie in Österreich oder der Schweiz ein, deren Einnahmen zweckgebunden in die Infrastruktur fließen, sagte Haußmann. Rülke nannte die Dobrindt-Maut einen „verkehrspolistischen Godzilla“. Die Liberalen befürchten negative Auswirkungen auf den Einzelhandel, den Tourismus und Hotellerie und Gastronomie in Grenznähe. Ausnahmen für diese Bereiche würden zu neuen Ungerechtigkeiten und mehr Bürokratie führen. Die FDP wandte sich auch gegen Satelliten-Überwachungssysteme für Autofahrer, wie sie Minister Hermann in die Diskussion gebracht hatte.
Die Dobrindt-Maut sei auch für die CDU problematisch, sagte die CDU-Verkehrsexpertin Nicole Razavi. Ihre Fraktion sei vielmehr für die Vignetten-Maut auf Autobahnen und auf ausgewählten Bundesstraßen. „Wir brauchen dauerhaft mehr Geld für die Infrastruktur.“ Die Grünen im Bund würden jedoch eine solche Maut ablehnen. Gleichzeitig warf Razavi der Landesregierung vor, „viel zu wenig“ für die Verkehrsinfrastruktur in Baden-Württemberg zu tun. Trotz Rekordeinnahmen stelle Grün-Rot nicht genug Geld zur Verfügung. Sie führt dies auf die „völlige Uneinigkeit“ der Koalitionspartner in Verkehrsfragen zurück. Dabei sei es höchste Zeit zum Handeln.
Gute Beziehungen zu Nachbarländern gefährdet
Andreas Schwarz (Grüne) wies die Kritik zurück. Grün-Rot baue Schritt für Schritt den Sanierungsstau ab und habe in diesem Jahr dafür 125 Millionen Euro im Etat eingestellt. Hinzu kämen 450 Millionen Euro für den Ausbau des ÖPNV. Schwarz forderte die CDU/CSU auf Bundesebene auf, vom bürokratischen Monster Dobrindt-Maut „Abstand zu nehmen“. Die CDU belaste sonst zusätzlich die Autofahrer. Aus seiner Sicht würden mit der Dobrindt-Maut wieder „Schlagbäume an den Grenzen“ errichtet; zudem stünden die guten Beziehungen Baden-Württembergs zu den Nachbarn Schweiz, Frankreich und Österreich auf dem Spiel. Der Bund müsse stattdessen mehr Mittel für Infrastruktur aus Steuern zur Verfügung stellen. Schwarz kritisierte, die Dobrindt-Maut sei europarechtlich bedenklich und das Konzept unausgereift, deshalb müsse der Referentenentwurf zurückgezogen werden.
Für Verkehrsminister Hermann ist der Dobrindt-Plan ein „verqueres Produkt“, das in Bierzelten als Ausländer-Vignette entstanden sei, Das Konzept sei unausgegoren Hermann fragt sich außerdem, warum der Bund eine Maut für Landes- und Kreisstraße beschließen kann und will. „Wenn dies kommt, müssen die Einnahmen auch dem Land überlassen werden“, folgerte der Minister. Für den Grünen-Poliitiker ergibt es Sinn, Verkehrsströme zu verändern und dabei nicht nur an die Straße zu denken, sondern auch an die Schiene und Wasserstraßen. Die Maut habe für ihn „keine Lenkungswirkung“.