Heftige Wortgefechte um die Zukunft der Realschulen
STUTTGART. Heftige Wortgefechte um die Zukunft der Realschulen haben sich im Landtag die Regierungs- und Oppositionsfraktionen geliefert. Während CDU und FDP der Regierung vorwarfen, die Realschulen zu vernachlässigen und eine Bestandsgarantie forderten, bezeichnete Kultusminister Andreas Stoch (SPD) die Realschulen als wichtigen Baustein im Schulsystem des Landes.
Im Anschluss an die Landtagsdebatte überreichten Vertreter von Realschulrektoren, Realschullehrern und dem Förderverein Realschule e.V. dem Kultusminister rund 8000 Unterschriften für den Erhalt der Realschulen als eigenständige Schulform in Baden-Württemberg.
„Die Befürchtungen, die Schulart Realschule werde abgewickelt, sind nicht begründet“, sagte Stoch bei der Entgegennahme der Unterschriften. „Ich kann für die Landesregierung, den Ministerpräsidenten und als Kultusminister sagen, dass wir die Realschulen als ganz wichtiges Glied im baden-württembergischen Schulsystem sehr schätzen“, so Stoch, der die Vertreter der Realschulverbände dazu aufforderte, ihre Schulart gemeinsam mit der Landesregierung weiterzuentwickeln.
CDU fordert Bestandsgarantie für Realschule
Dieses Angebot hatte Stoch zuvor in einer seitens der Oppositionsfraktionen hitzig geführten Landtagsdebatte zum Thema „Schulpolitik auf dem Prüfstand – Baden-Württemberg braucht die Realschule“ auch CDU und FDP gemacht. Der CDU-Abgeordnete und Gymnasialrektor Karl-Wilhelm Röhm hatte in der von der CDU beantragten aktuellen Debatte dagegen von Stoch ein klares Bekenntnis für die Realschule gefordert. „Geben Sie der Realschule eine Bestandsgarantie als eigenständige Schulart“, forderte Röhm, der der Landesregierung vorwarf, die Abwicklung der Realschulen zu Gunsten der Gemeinschaftsschulen billigend in Kauf zu nehmen.
Zudem forderte er den Bildungsminister dazu auf, den Realschulen sachliche und personelle Hilfen zu geben, damit diese als Schulen mit der größten Heterogenität der Schüler sofort handlungsfähig seien. „Und erhalten Sie die Mittlere Reife als anerkannten Abschluss mit hoher Qualität durch einen eigenständigen Bildungsplan für die Realschule“, forderte Röhm weiter.
Grüne: Niemand will die Realschule abschaffen
Für die Grünen hatte die Abgeordnete Muhterem Aras auf die bisherigen Verdienste von Grün-Rot um die Realschulen hingewiesen: „Wir haben die Zahl der Poolstunden angehoben, wir haben die Schulen mit zusätzlichen Ressourcen ausgestattet und den Einstieg des Landes in die Schulsozialarbeit veranlasst“, sagte Aras, die der CDU bescheinigte, die Probleme der Realschule erkannt zu haben – allerdings erst in der Opposition.
„Jetzt entdecken Sie die Eltern und stellen die Initiative Realschule auf“, so Aras, die die Kampagne der CDU als Schreckensszenario bezeichnete, das nichts mit der Realität zu tun habe. „Niemand will die Realschule abschaffen. Unser Ziel ist es, das Lernen für alle Schüler besser und gerechter zu machen. Dabei ist es egal, welches Etikett auf der Schule ist“, sagte Aras. „Grün-Rot schützt die Realschule, Grün-Rot steht zur Realschule und hat sie gestärkt.“
SPD wirft der CDU vor, Panikpolitik zu betreiben
Auch der SPD-Abgeordnete Stefan Fulst-Blei warf der CDU vor, Panikpolitik zu betreiben. „CDU und FDP haben die Realschulen in der Vergangenheit oft genug links liegen lassen“, so Fulst-Blei. Die Weiterentwicklung zu einer Gemeinschaftsschule sei ausdrückliche eine Option für Realschulen. „Es gibt aber keinen Zwang.“
Ein klares Ja oder Nein zu den Realschulen forderte dagegen Timm Kern für die FDP. „Entscheidend sind die Bildungspläne“, sagte Kern und fragte an die Adresse des Kultusministers: „Planen Sie eigenständige Bildungspläne für die Realschulen – Ja oder Nein?“ Die Tatsache, dass sich in der ersten Bewerbungsrunde nur vier der 429 Realschulen in Baden-Württemberg als Gemeinschaftsschule beworben hätten, zeige, dass die Realschulen von dem „scheinbar verlockenden Schulssystem nichts wissen wollen“, so Kern. Und an die Adresse der Landesregierung:„Sie brauchen die Realschulen, weil Sie an den Gemeinschaftsschulen auch stärkere Schüler brauchen. Bevor die Gemeinschaftsschulen sterben, müssen sie den Realschulen das Wasser abgraben.“
FDP wirbt für die Realschule plus
Kern warb in diesem Zusammenhang für eine „Realschule plus“, einem Zusatzjahr im Anschluss an die Mittlere Reife, das Realschulabsolventen eine Vorbereitung zum Wechsel aufs Gymnasium ermögliche. „Geben Sie Schulgestaltungsfreiheit und erlauben Sie allen Realschulen, sich zu „Realschulen plus“ weiterzuentwickeln.“
Kultusminister Stoch bemängelte, dass die Opposition keine Antworten zur Zukunft des Bildungssystems in Baden-Württemberg hätte. „Die Schularten gegeneinander auszuspielen, funktioniert nicht“, sagte Stoch und warf CDU und FDP vor, bei den Eltern Unsicherheit zu verbreiten. „Auf die Qualität ihrer Arbeit und des Realschulabschlusses können Rektoren und Lehrer an Realschulen stolz sein“, sagte Stoch, „aber darauf können wir uns nicht ausruhen.“
Stoch: „Die Realschulen werden nicht ins Hintertreffen geraten“
Die Weiterentwicklung des Bildungssystems könne auch an den Realschulen nicht vorbeigehen. „Die Realschulen werden nicht ins Hintertreffen geraten. Die Qualität der Mittleren Reife als Abschluss wird gewahrt bleiben“, versprach Stoch und erneuerte sein Angebot an CDU und FDP, beim Projekt regionale Schulentwicklung konstruktiv und ohne ideologische Scheuklappen mitzuwirken. „Das ist für Baden-Württemberg von ungeheurer Bedeutung. Wenn wir das nicht schaffen, droht ein Schulsterben im ländlichen Raum.“
Quelle/Autor: Ulrike Bäuerlein