Themen des Artikels

Um Themen abonnieren und Artikel speichern zu können, benötigen Sie ein Staatsanzeiger-Abonnement.Meine Account-Präferenzen

Sonderweg des Landes kippt Gebührenregeln für Anwohnerparken

Das Bundesverwaltungsgericht hat am 13. Juni für Baden-Württembergs Kommunen ein Stoppschild zum Anwohnerparken aufgestellt. Das Urteil zur entsprechenden Freiburger Satzung fußt auch auf  Überlegungen zu einer juristischen Spezialität des Südwestens.
Parkschilder in Tübingen

Der Satzungszwang in Baden-Württemberg hat nach dem Urteil zum Anwohnerparken aus Leipzig einige Gemeinden vor neue Herausforderungen gestellt.

dpa/Marijan Murat)

STUTTGART. Die schriftliche Begründung fehlt noch, aber schon die Berichterstattung über das Urteil des  Bundesverwaltungsgerichts zur Anwohnerparksatzung Freiburgs sorgt für Mehrarbeit in städtischen Verkehrsbehörden. Laut Landesverkehrsministerium sind im Land rund 25 Kommunen vom Spruch aus Leipzig betroffen, mehr als in vielen anderen Bundesländern, so eine Umfrage des Staatsanzeigers. Dies liegt an einem Sonderweg des Südwestens.

Weiterhin gültig ist die Gebührenverordnung des Bundes für Maßnahmen im Straßenverkehr. Einschlägig ist die Gebührennummer 265: Das Ausstellen eines Parkausweises für Bewohner kostet zwischen 10,20 bis 30,70 pro Jahr. Diese Verordnung wenden nach wie vor sechs der 16 Bundesländer an (siehe Kasten). Seit Juni 2020 dürfen die Länder aber die Anwohnerparkgebühren selbst regeln und höhere Beträge verlangen.

Zehn Bundesländer haben vor dem Urteil eigene Regeln erlassen

Baden-Württemberg hat sich für eine eigene Regelung entschieden und delegiert die Befugnis über die Kostenregelung des Bewohnerparkens mit einer Verordnung an die Kommunen. Das machen auch weitere acht Bundesländer. Hamburg hat ebenfalls eine eigene Regel aufgestellt, ist aber als Stadtstaat quasi Kommune und braucht daher keine extra Verordnung für Städte und Gemeinden wie die Flächenstaaten.

Wo die Länder ihre Kommunen die Gebührenhöhe bestimmen lassen, schreiben sie dazu eine Verordnung vor oder machen wie Thüringen und Hessen keine Vorgabe. Als einziges Land aber verpflichtet Baden-Württemberg seine Kommunen zum Erlass einer Satzung. Genau diese Regelungsart hat das Bundesverwaltungsgericht verworfen: Gemeinden dürfen nicht aufgrund eigener Kompetenz eine Gebührensatzung erlassen, davon stehe nichts im Straßenverkehrsgesetz. Es verpflichte zu einer Verordnung – eine Regelungsart, die eine Verwaltung ohne Beteiligung des Gemeinderats erlässt.

Diesen Fauxpas rechtfertigt das Verkehrsministerium mit fehlender Rechtsprechung zu dieser Frage. Außerdem befürworteten vor Erlass der Verordnung offenbar Kommunen selbst gegenüber Ministerialbeamten eine Satzung, heißt es vom Ministerium. Welche Kommunen das waren, konnte ein Sprecher nicht sagen. Satzungen sollten dank der Diskussion im Rat Konsens stiften.

Wie fragwürdig das ist, zeigt das Zustandekommen des Regelwerks in Freiburg. Dort ging es kurz vor Weihnachten 2021 um drastische Gebührenerhöhungen, 370 Euro sollten pro Jahr fällig werden, je nach Wagenlänge gab es Zu- und Abschläge, der Spitzenpreis betrug 480 Euro. Das hatte der Rat nur mit einer hauchdünnen Mehrheit von Grünen und meist linken Listen erreicht – und der entscheidenden Stimme von OB Martin Horn (parteilos). Zum Weihnachtsfrieden führte der knappe Satzungsbeschluss vom Dezember 2021 nicht. Schon damals hatte der jetzt erfolgreiche Kläger, der FDP-Stadtrat Sascha Fiek, von roten Warnlampen gesprochen. 

Jedoch sank mit der Satzung das Interesse vieler Freiburger am Bewohnerparken. Nach einer Auswertung, die Freiburg im März 2023 veröffentlicht hatte, war die Zahl der in Bewohnerparkgebieten angemeldeten Autos um 2,2 Prozent zurückgegangen. Von April 2022 bis Januar 2023 beantragten Autofahrer nur 5500 Anwohnerparkausweise und nicht wie im Vorjahreszeitraum 10 500.

Diese Lenkungswirkung begrüßt Susanne Nusser, Vize-Hauptgeschäftsführerin beim Städtetag Baden-Württemberg, Parken verbrauchte knappen Straßenraum. Höhere Gebühren veranlassten Autobesitzer, eigene Garagen wieder für Parkzwecke zu nutzen, was auch Freiburgs Verwaltung beobachtet hatte. Seit dem Urteil aber erteilt die Stadt Bewohnerparkscheine zum alten Preis von 30 Euro, wer einen nicht bestandskräftigen hohen Gebührenbescheid hat, erhält die Differenz.

Rückwirkende Gebührensatzungen sieht das Ministerium skeptisch

Das machen auch andere Städte. Heidelberg hat seine 120-Euro-Satzung aufgehoben und verlangt wie vor deren Erlass 36 Euro nach der bundesrechtlichen Verordnung. Die gut fünf Euro über deren Obergrenze kommen durch Besucherparkscheine zustande. Bruchsal (Kreis Karlsruhe) erhebt auf selber Grundlage 30 Euro, vor dem Urteil waren es für die Kernstadt 90 Euro. Karlsruhe vergibt Parkscheine mit Hinweis auf eine Regelung zum Jahresende. Das schriftliche Urteil soll Basis einer rechtssicheren Verordnung werden.

Konstanz verlängert die Parkscheine kostenlos bis Ende September. Oberbürgermeister Uli Burchardt (CDU) teilte dem Gemeinderat mit, dass er bis dahin eine Verordnung plane, die an die ehemals erhobenen 150 Euro anknüpfe. Ihm war die Frage wichtig, ob die Verordnung rückwirkend gelten könne. An der rechtlichen Möglichkeit und politischen Vermittelbarkeit dieser Option zweifelt das Verkehrsministerium, so eine Antwort an den Staatsanzeiger.

So regeln die 16 Bundesländer die Anwohnerparkgebühren

Die Öffnung im Straßengesetz für Anwohnerparkgebühren nutzen nicht alle Länder. Bayern lässt alles beim Alten, auch das Saarland, Schleswig-Holstein, Sachsen-Anhalt, Bremen und Berlin. Hier gilt die Obergrenze von 30,70 Euro. Kommunen regeln die Gebühren in Baden-Württemberg, Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Thüringen. Hamburg hat eine eigene Verordnung (65/70 Euro).

Peter Schwab

Peter Schwab kümmert sich um verschiedene Journale der Zeitung und arbeitet außerdem im Crossmediateam und im Ressort Kreis und Kommune. Schon während seines Jura-Studiums hat er für verschiedene Zeitungen geschrieben, später volontiert und als Lokalredakteur gearbeitet. Nach seiner Zeit als Pressesprecher hat er erneut die Seiten gewechselt und ist 2022 zum Staatsanzeiger gegangen – und damit zum guten alten Journalismus zurückgekehrt.

0711 66601 292

Nutzen Sie die Vorteile unseres

Premium-Abos. Lesen Sie alle Artikel aus Print und Online für

0 € 4 Wochen / danach 167,00 € jährlich Nachrichten aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren

Lesermeinungen

Bitte loggen Sie sich ein, um zu kommentieren.

Lesen Sie auch