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Landrat Klaus Michael Rückert: „Was mir aber immer gefehlt hat, ist die Seelsorge“

Neben seinem Jura-Studium hat Klaus Michael Rückert an der Tübinger Uni die damaligen Größen der Theologie gehört. Nun folgt er der Leidenschaft für die Theologie.
Markus Ulmer)Staatsanzeiger: Warum wollten Sie das Amt niederlegen?
Rückert : Schon seit vielen Jahren habe ich den Plan, noch etwas ganz anderes in meinem Leben zu machen. Ich bin ein gläubiger Mensch, und ich engagiere mich seit meiner Jugend in der katholischen Kirche. Seit Jahren spüre ich die Berufung, dort mehr zu tun, insbesondere im kirchlichen Ehrenamt. Vor einigen Jahren habe ich die Möglichkeit entdeckt, als ständiger Diakon im Zivilberuf zu wirken, Seelsorge zu betreiben und mich um Menschen am Rande der Gesellschaft zu kümmern. Deshalb habe ich in den vergangenen Jahren ein theologisches Fernstudium absolviert.
Das ist zeitlich sicher herausfordernd für einen Landrat, nebenher zu studieren.
Das war nicht einfach. Ein Fernstudium kann man abends um halb elf betreiben, und mir hat das auch Freude gemacht. Der theologische Fernkurs ist aber anspruchsvoll, wenn auch deutlich weniger umfangreich als ein Vollstudium. Nun steht ein Ausbildungsabschnitt an, in dem ich Kurse in der diözesanen Ausbildungsstätte im ehemaligen Kloster Heiligkreuztal absolvieren und in einer Kirchengemeinde praktische Ausbildung machen werde. Das ist neben dem Amt des Landrats nicht machbar. Daher orientiere ich mich neu: Ich werde noch zu 50 Prozent juristisch tätig sein und die Ausbildung und später den Dienst als Diakon im Ehrenamt ausüben.
Was hat Sie am Theologiestudium gereizt?
Theologie hat mich schon immer fasziniert. Während meines Jurastudiums in Tübingen habe ich als Gasthörer Theologie Vorlesungen von Hans Küng und Norbert Greinacher belegt. Vor dem Examen habe ich an der Hochschule für Philosophie und Theologie der Jesuiten in München Altes Testament gehört. Es war mir immer wichtig, meinen Glauben auch wissenschaftlich zu ergründen.
Jura und Theologie ähneln sich, es geht um die richtige Auslegung von Regeln.
Für mich verbindet beides die Präambel des Grundgesetzes, das mit den Worten beginnt: „In Verantwortung vor Gott und den Menschen“. Das ist ein wichtiges Bekenntnis unseres Staates zu den christlichen Grundwerten und eine ganz wichtige Basis unseres Zusammenlebens. Es ist gut, dass es eine Trennung von Staat und Religion gibt. Aber unsere Grundwerte sind nach dem Zweiten Weltkrieg auf dieser Basis entstanden. Diese Verantwortung vor Gott und den Menschen habe ich während meiner 27 Jahre in Führungsverantwortung immer ausgeübt.
Warum haben Sie nicht gleich Theologie studiert?
Ich bin mit Leib und Seele Jurist. Ich bin schon früh ein politischer Mensch geworden – mein Vater war kommunalpolitisch und als Landtagsabgeordneter und Staatssekretär tätig. Das hat mich zum Jurastudium geführt. Mich fasziniert beides, deshalb werde ich weiterhin juristisch tätig sein.
Was reizt Sie an der Theologie mehr, die Dogmatik oder die Spiritualität?
Als Jurist prägt mich die Dogmatik. Aber was mich wirklich reizt, ist die Spiritualität.
Sie haben als Landrat ein politisches Amt, von dem viele träumen. Woher kommt bei Ihnen das Streben nach dem höheren Glück in der Theologie?
Ich bin christlich erzogen worden und war schon in jungen Jahren in der Kirchengemeinde aktiv. Ich habe viele Situationen erlebt, wo Menschen geheilt wurden, obwohl die Wissenschaft keine Hoffnung mehr sah. Das hat meinen Glauben bestärkt. Glauben zu leben ist für mich zentral. Besonders wichtig ist für mich die Endzeitrede Jesu: „Was ihr für den geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan.“ Jesus gibt uns damit den Auftrag, uns um Menschen am Rande der Gesellschaft zu kümmern. Das spricht mich tief im Herzen an.
Diesen Anspruch könnten Sie auch als Landrat verwirklichen.
Als Landrat war ich verantwortlich für das Sozialamt, das Jugendamt, aber das sind strukturelle Entscheidungen. Ich habe meine Wertebasis in meine Arbeit einfließen lassen, mich für den Aufbau einer Notfallseelsorge engagiert, im sozialen und Jugendhilfebereich unsere Aufgaben erfüllt. Was mir aber immer gefehlt hat, ist die Seelsorge, das konkrete, längerfristige Kümmern um andere Menschen. Obwohl das Amt des Landrats für mich der Höhepunkt meiner politischen Tätigkeit war und ich dankbar bin, dass ich 15 Jahre wirken durfte, hat mir dieser Aspekt gefehlt.
Sie hätten aber noch ein Jahr im Amt bleiben können, um dann regulär auszuscheiden.
Ich wollte das nicht auf die lange Bank schieben. Wenn man noch Pläne hat und die Überzeugung so tief ist, sollte man das anpacken. Ein sehr guter Freund von mir ist mit Anfang 60 plötzlich verstorben. Das hat mich nachdenken lassen. So ist die Überzeugung gereift, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist.
Friedrich Merz hat als Oppositionsführer die Mehrheit mit der AfD für seine Migrationspolitik gesucht. Damals kündigten Sie an, ihn nicht zu wählen. Spielt die Entwicklung hin zum Rechtspopulismus auch eine Rolle bei der Entscheidung für die Amtsaufgabe?
D as wäre eine Motivation, weiterzumachen. Demokratie braucht Demokraten, und ich sehe mich als überzeugten Demokraten. Beim Neujahrsempfang habe ich die Gäste ausdrücklich aufgefordert, sich als Botschafterinnen und Botschafter unserer Verfassung zu sehen. Unser Grundgesetz hat großartige Regelungen, die verhindern, dass es ausgehebelt wird. Aber wirklich gesichert ist eine Demokratie, ein Sozialstaat, ein Rechtsstaat nur dann, wenn die Bürgerinnen und Bürger dahinterstehen.
Wie sehen Sie heute Ihre Partei?
Ich bin aus Überzeugung Mitglied der CDU. Ich sehe vieles positiv, manches kritisch, möchte mich aber nicht mehr zu bundespolitischen Themen äußern.
Wer wurde als neuer Landrat in Freudenstadt gewählt?
Sie hinterlassen Ihrem Nachfolger einige Baustellen, zum Beispiel den ungenehmigten Haushalt. Geben Sie ein bestelltes Feld weiter?
Auch ich hatte bei meinem Amtsantritt Baustellen vorgefunden. Das Feld ist aber im Rahmen der Möglichkeiten sehr gut bestellt. Wir haben eine gute Infrastruktur, ein neues Krankenhaus, einen ÖPNV-Taxi-Service, der bundesweit beachtet wird. Wir haben einen Nationalpark, für den ich mich sehr früh positioniert habe. Das hat mir nicht nur Freude gebracht. Aber ich bin überzeugt, dass das eine ganz wichtige Einrichtung ist.
Warum?
Es ist gut, wenn Natur in manchen Bereichen Natur sein darf. Der Nationalpark Schwarzwald ermöglicht durch das Besucherzentrum am Ruhestein und dessen Mitarbeiter Umwelt- und Naturbildung auf höchstem Niveau. Er hat zwar anderes, aber nicht weniger zu bieten als die internationalen Nationalparks. Deshalb kommen mehr Menschen zu uns in die Region.
Sind Sie froh, dass Sie die Verantwortung jetzt abgeben, wo die Zeiten schwieriger werden?
Das war nicht meine Motivation. Ich habe ein Krankenhaus geschlossen, Flüchtlinge aufgenommen, Corona gemanagt, einen Nationalpark mit ambivalenten Diskussionen auf den Weg gebracht, vor kurzem noch eine Diskussion über die potenzielle Schließung der geriatrischen Reha in Horb geführt. So sieht keiner aus, der sagt: Jetzt wird es mir zu eng, jetzt höre ich auf. Das alles strengt aber an, deshalb ist es befreiend, diese Verantwortung jetzt in andere Hände geben zu dürfen.
Zur Person
Der 58-jährige Klaus Michael Rückert blickt auf eine bewegte politische Karriere zurück. Zweimal, 2001 in Schwäbisch Gmünd und 2006 in Baden-Baden , unterlag er bei OB-Wahlen. In der Kurstadt war er bis 2008 Erster Bürgermeister, zuvor amtierte er als Erster Beigeordneter in Weil der Stadt . 2008 wurde der CDU-Mann Regierungsvizepräsident in Karlsruhe , bevor er sich 2010 in Freudenstadt bei der Landratswahl gegen zwei Mitbewerber durchsetzte. Rückert arbeitete Ende der 90er-Jahre während der Promotion im Staatsministerium und zuvor als Rechtsanwalt. Als Diakon will Rückert im Landkreis arbeiten.