Themen des Artikels

Um Themen abonnieren und Artikel speichern zu können, benötigen Sie ein Staatsanzeiger-Abonnement.Meine Account-Präferenzen

Parteien feiern Aschermittwoch im Südwesten: Von Clankriminalität und politischem Philosophieren

Baden-Württembergs Grüne haben die längste Aschermittwoch-Tradition im Land: Ihr diesjähriges Treffen in Biberach war das siebenundzwanzigste. Die Südwest-CDU wiederum legt Wert darauf, in Fellbach bei Stuttgart, zum „größten Stammtisch des Landes“ zu laden. Deutlich bescheidener tagten die Sozialdemokraten in Ludwigsburg und die Liberalen in Karlsruhe. Allen Reden gemeinsam waren ernste Töne, aber auch die Angriffslust.

Über Clankriminalität sprach NRW-Innenminister Herbert Reul beim politischen Aschermittwoch seiner baden-württembergischen CDU-Parteifreunde in Fellbach.

picture alliance/dpa | Christoph Schmidt)

Biberach/Fellbach/Ludwigsburg/Karlsruhe. Cem Özdemir machte sich lustig über Markus Söder: Bayerns Verhalten beim Klimaschutz ähnele dem einer Fußballmannschaft, die Eins zu Null hinten liegt, aber auf Zeit spielt und sich nach dem Abpfiff beim Schiedsrichter über die zu kurze Nachspielzeit beklagt. Herbert Reul, Innenminister in NRW und CDU-Ehrengast in der Alten Kelter, wünscht sich von seiner Partei eine Werbekampagne für den Rechtsstaat und dafür, auf die Straßen zu gehen, um zu sagen: „Wir haben es satt, dass dafür nicht mehr Geld ausgegeben wird.“

Özdemir stand unter besonderer Beobachtung, weil er als einer der aussichtsreichsten Kandidaten für die Nachfolge von Winfried Kretschmann steht. Er hielt eine Generalistenrede mit Lob für den „Jungspund Winfried Kretschmann“, bei dessen Auftritten man immer einen Volkshochschulkurs spare, und mit vielen schwäbischen Einsprengseln („Pest, Cholera und von der Alb ra“).

Grüner Bundeslandwirtschaftsminister unter Beobachtung

Der Bundeslandwirtschaftsminister war aber auch Thema bei der CDU, weil ihm der Landesvorsitzende Thomas Strobl falsche Prioritätensetzung vorwarf wegen seines Einsatzes für die Brezel als Unesco-Weltkulturerbe. „Für uns ist es wichtig, dass Bäcker überhaupt noch Brezel backen können“, so Strobl, „das ist der Unterschied zu Berlin, wo es keine Bäcker und keine Metzger mehr gibt.“ Die Fern-Replik folgte auf dem Fuße aus Oberschwaben: Es gehe ums handwerkliche Schlingenwerfen, erläuterte der Minister seine gemeinsam mit dem Elsass und Österreich ausgeheckte Initiative, immerhin stammten die ersten Brezelnachweise in allen drei Regionen schon aus dem 13. Jahrhundert.

Ernsthafter NRW-Innenminister beim CDU-Aschermittwoch

Reul nahm sein Publikum in Fellbach für sich ein mit Ernsthaftigkeit, detailreicher Beschreibung seines Kampfes geben die Clankriminalität in Nordrhein-Westfalen und seiner Liebeserklärung an den Rechtsstaat. Dessen Clou bestehe darin, dass er für In- und Ausländer da sei, für Frauen und Männer, für Junge und Alte. Ohne gemeinsame Regeln als Grundfesten des Zusammenlebens gebe es Chaos wie in einem Musikverein, wenn jeder ein anderes Lied spielen wolle. Der Rheinländer wurde gleich mit drei Stücken verabschiedet: den Hymnen von Württemberg und Baden und der deutschen Nationalhymne.

Demonstranten gegen Kretschmann

Fast zeitgleich frönte in Oberschwaben der weltweit einzige grüne Ministerpräsident seiner Leidenschaft, dem „politischen Philosophieren“. Und das, obwohl er nach einem Vierteljahrhundert Biberach wisse: „Ihr kennet mei G’schwätz scho.“ Vor allem nahm er sich Demonstranten zur Brust, die vor der Halle auf ihn gewartet und ihn dann als „Kriegstreiber“ beschimpft hatten wegen seiner Haltung zu Waffenlieferungen an die Ukraine. Kretschmanns Mahnung: Es gehöre zu den „elementarsten Logiken“, Argumente auszutauschen und das Gegenüber anzuhören. Seine Einladung dazu hätten die „Radikalpazifisten“ aber abgelehnt und ihm „Geschwurbel“ angekreidet. Das gehe gar nicht, ereiferte er sich. Frieden schaffen mit weniger Waffen sei eine vernünftige Idee, aber nur dann, wenn es Verträge gebe und die auch von allen Seiten eingehalten würden.

Südwest-SPD leckt alte Wunden

Die SPD nutzte ihre Feier mit rund 400 Gästen, um noch einmal Wunden zu lecken und der an Kretschmanns Veto gescheiterten Bildung einer Ampelkoalition aus Grünen, SPD und FDP im Land nachzutrauern. „Auch für Baden-Württemberg gilt“, prognostizierte Landes- und Fraktionschef Andreas Stoch, „die Narren regieren nicht ewig!“ Hauptredner Alexander Schweitzer, Vize-Parteichef in Rheinland-Pfalz, empfahl die Nachbarn als Vorbild, denn: „Wo die SPD regiert, da wird gute Politik gemacht“ – eben wie in Mainz schon seit über 30 Jahren.

Liberaler Aschermittwochsredner geißelt Grün-Schwarz

Bei den Liberalen im Karlsruher Kesselhaus erfüllte die Rednerriege ebenfalls die Erwartungen, allen voran FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke, der manchmal selbst bei Plenarreden zur Aschermittwochsform aufläuft. Er sieht die Landesregierung geführt gleich von zwei Faschingsfiguren – Strobl und Kretschmann -, wobei er letzterem die Rolle zuschrieb, konservative Wähler einzusacken, während die Grünen hinter seinem Rücken den Laden ausräumten. Die Südwest-FDP selber streckt allerdings die Fühler ebenso aus in neue Wählergruppen: Denn moderiert wurde die Veranstaltung vor rund hundert Zuschauern von Alena Trauschel. Die Ettlingerin ist nach knapp zwei Jahren in Landtag auch schon bekannt für pointierte Reden und vor allem, gerade 24 geworden, die mit Abstand jüngste Abgeordnete. 

Quelle/Autor: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer

Nutzen Sie die Vorteile unseres

Premium-Abos. Lesen Sie alle Artikel aus Print und Online für

0 € 4 Wochen / danach 167,00 € jährlich Nachrichten aus Wirtschaft, Politik und Verwaltung in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren

Lesermeinungen

Bitte loggen Sie sich ein, um zu kommentieren.

Lesen Sie auch