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Proteste gegen Rechtsextremismus

Die SPD ruft ein Bündnis für Demokratie ins Leben

Das ist ungewöhnlich: Der SPD-Landes- und Fraktionschef Andreas Stoch ruft zu einem Bündnis für Demokratie und Menschenrechte auf. Und über 90 Parteien, Verbände und Organisationen machen mit. Nur die Teilnahme der Linken sorgt für kleinere Irritationen.

Die Demonstrationen gegen Rechtsextremismus wie hier in Stuttgart sollen jetzt zu einem "Bündnis für Demokratie" führen.

dpa/imageBROKER/Olaf Krüger)

Stuttgart. Auch am vergangenen Wochenende haben wieder Zehntausende von Menschen in Baden-Württemberg gegen Rechtsextremismus diskutiert. Inzwischen hat die Diskussion im politischen Raum Fahrt aufgenommen. Die AfD wehrt sich gegen die Kritik und die Proteste und versucht es mit wilden und teils abstrusen Gegenangriffen: So fordert die AfD-Fraktion im Landtag, die Grüne Jugend oder gar einen Redakteur des Staatsanzeigers vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen.

Die übrigen Parteien des demokratischen Verfassungsbogens üben hingegen den Schulterschluss. Andreas Stoch , der Landes- und Fraktionschef der SPD, hatte die Idee, ein breit aufgestelltes Bündnis zu bilden. Er hat sofort den CDU-Landes- und Fraktionschef Manuel Hagel angerufen, der sich spontan zum Mitmachen entschlossen hat.

Vom Nabu bis zum Handwerksverband

So ging das reihum – die übrigen Parteien Grüne und FDP schlossen sich ebenfalls an. Aber auch die Kirchen, zahlreiche Verbände vom Auto Club Europa (ACE) über die AWO , die Umweltverbände Nabu und BUND, den Gewerkschaften und Fridays for Future. Aber es sind nicht nur die üblichen Gruppierungen, die bei solchen Themen dominieren, sondern auch Wirtschaftsverbände wie Handwerk BW oder der Bund der Selbstständigen ( BdS ), die Volkshochschulen und die Heuss-Stiftung.

Der Städtetagspräsident Frank Mentrup (SPD) drückt es so aus: „Möge dieses Bündnis als Inspiration dafür dienen, sich für ein Land einzusetzen, in dem alle Menschen gleiche Rechte und Chancen genießen.“ Und auch der Gemeindetagspräsident Steffen Jäger (CDU) betont gerne: „Gerade in diesen Zeiten brauchen wir ein solch klares Bekenntnis zu den freiheitlich-demokratischen Werten, zu unserem Rechtsstaat und zu unserer Verfassung.“

Erich-Kästner-Zitat: Nicht warten, bis der Schneeball eine Lawine geworden ist

Am 25. Januar gab es ein Auftakttreffen im Gewerkschaftshaus in Stuttgart, bei dem eine gemeinsame Erklärung verabschiedet wurde. Sie beginnt mit einem Zitat von Erich Kästner: „Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muss den rollenden Schneeball zertreten.“ Mit Verweis auf die Correctiv-Recherchen zum Potsdamer Geheimtreffen und den vom Rechtsextremisten Martin Sellner erdachten Vertreibungsplänen heißt es in der gemeinsamen Erklärung weiter: „Jetzt ist die Zeit für alle Demokratinnen und Demokraten, Stellung zu beziehen und aktiv gegen Menschenfeindlichkeit und Rechtsextremismus einzutreten.“

Einen Kommentar dazu lesen Sie hier.

Es soll also nicht nur bei Demonstrationen bleiben, sondern man will weitere Aktionen planen. Nach dem Auftakttreffen ist ein Lenkungskreis gebildet worden, der sich am Donnerstag zu weiteren Beratungen getroffen hat. Die Federführung haben die AWO als Vertreter der Sozialverbände, der Landessportverband, ACE, BdS , der DGB, die Fachstelle Extremismus, die „Jungen Europäer“ die Naturfreunde und der Landkreistag für die Kommunalverbände übernommen, dazu das Katholische und das Evangelische Büro in Stuttgart als Vertretung der Kirchen, sowie der Landesverband der kommunalen Migrantenvertretungen Baden-Württemberg.

Organisatorisch ist das Bündnis aktuell beim DGB angesiedelt. Der Lenkungskreis traf sich diese Woche erneut, um weitere Aktivitäten zu koordinieren.

Kleine Irritationen über die Linken

Die Parteien wollen sich aus dem Bündnis bewusst eher im Hintergrund halten. Allerdings gibt es eine Irritation um die Beteiligung des Landesverbands der Linken. Vor allem die CDU hat sich dazu skeptisch geäußert und hat sich auf der Klausurtagung der Landtagsfraktion erst noch einmal klar von der Linken abgegrenzt, etwa was mögliche Koalitionen in Ostdeutschland angeht.

Auch der FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke zeigt sein Unbehagen in dieser Frage. Nun gibt es allerdings derzeit gar keine formale Mitgliedschaft in dem Bündnis. Beim Auftakttreffen im Januar waren die Linken mit dabei. Der Initiator Andreas Stoch (SPD) meint: „Das muss das Bündnis entscheiden. Wegen uns sollten am besten alle demokratischen Parteien mit dabei sein.“

Beim Verband Handwerk BW hat man mit der Linken keine Probleme, wie der Geschäftsführer Peter Haas erklärt: „Das Bündnis ist so breit, dass wir als Wirtschaftsverband dort gut aufgehoben sind.“ Der Botschaft für Demokratie und Menschenrechte könne sich „keiner entziehen“.

Ob das Thema „Linke“ noch eine Rolle spielt, bleibt abzuwarten. Die Einigkeit der demokratischen Parteien steht dabei aber nicht infrage.

Joachim Walter, der Landkreistag-Präsident und Tübinger Landrat, sagt: „Es ist wichtig, dass die Mitte gegen Rechtsextremismus angeht.“
Rafael Binkowski

Chefredakteur des Staatsanzeigers

0711 66601 - 293

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