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Polizeiaffäre in Stuttgart: Karlsruher Polizeivize erhebt schwere Vorwürfe

Der Karlsruher Polizeivize Hans Matheis hat schwere Vorwürfe gegen die Führungsspitze im Innenministerium erhoben. Vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss erklärte der 63-Jährige zur Besetzung höherer und höchster Chargen, es habe einen "großen Plan" gegeben, er selbst sei „nicht Teil davon gewesen“.

Hans Matheis, Polizeivizepräsident von Karlsruhe, spricht während einer Sitzung des Untersuchungsausschuss im Landtag. Matheis hat massive Ungerechtigkeiten im Beförderungssystem an der Polizeispitze im Südwesten kritisiert.

dpa/dpa | Nico Pointner)

STUTTGART. Als er Vizepräsident im Landeskriminalamt (LKA) habe werden wollen, sei „schuppdiwupp“ einer – der spätere, inzwischen vor Gericht stehende Inspekteur der Polizei A.R. – an ihm vorbei geschoben worden. Sogar der Grünen-Obmann Oliver Hildenbrand sprach in diesem Zusammenhang offen von „Machtmissbrauch“. Seine CDU-Kollegin Christiane Staab hofft auf weitere Zeugenaussagen, um herauszufinden, welche „Strukturen der Dysfunktionalität“ es bei der Polizei gebe.

Am Tag nach der denkwürdigen 15. Ausschusssitzung vertritt Innenminister Thomas Strobl (CDU) den erkrankten Ministerpräsidenten auf der allwöchentlichen Pressekonferenz. Ausräumen will er die Vorwürfe nicht, weil er sich selber auch gar nicht in dieser Rolle sieht, sondern den Untersuchungsausschuss.

„Man muss die Wahrheit sagen“

Mit Spannung waren am Montag die Auftritte des Schorndorfer CDU-Abgeordneten und früheren Personenschützers Christian Gehring und vom früheren LKA-Präsidenten Ralf Michelfelder erwartet worden. Letzterer hatte ersteren schon im Juni vor dem Ausschuss beschuldigt, er habe ihn anschwärzen und öffentlich diskreditieren wollen. Wirklich ausräumen konnte Gehring, den die CDU-Fraktion trotz dieser Vorwürfe zum neuen Vorsitzenden des Arbeitskreises Inneres beförderte, diese Anschuldigungen am Montag nicht. Am 29. September muss er noch einmal auftreten. Gehring will mit niemandem in der Fraktion über Inhalte aus dem Ausschuss geredet haben, nur darüber, wie er sich selber als Zeuge zu verhalten habe. „Wie verhält man sich als Zeuge?“, fragt SPD-Obmann Sascha Binder und gibt sich selber die Antwort: „Man muss die Wahrheit sagen.“ Bisher steht jedenfalls Aussage gegen Aussage, weil Michelfelder nicht von seiner Darstellung abrückt. Jetzt wird auch Wilfried Klenk (CDU), der Innenstaatssekretär, der seit Ende Juni im Ruhestand ist, noch einmal vor den Ausschuss geladen.

Starke Beachtung fand am Montag Michelfelders Aussage, er habe als LKA-Präsident sogar zu seinem Hausrecht greifen wollen, um einen bestimmten, von ihm als Mitarbeiter abgelehnten, aber vom IdP ohne Ausschreibung protegierten Bewerber am Betreten der LKA-Räumlichkeiten zu hindern. Auch Matheis erregte Aufsehen, als er beispielsweise erklärte,  dass er von mehreren Fällen ungerechtfertigter Besetzungen bei der Polizei wisse. Und wer sich wehre, werde als „Netzbeschmutzer“ dargestellt. Er selber habe „hart“ hingearbeitet auf den Posten des LKA-Vize und nicht nur den nicht bekommen, sondern später auf Druck des Inspekteurs der Polizei (IdP) auch seine Bewerbung für den Posten des Landespolizeidirektors zurückziehen müssen. Matheis steht vor der Pensionierung, obwohl er gerne weiter gearbeitet hätte, „wenn man mich lassen hätte“. Er fühle sich verbraucht „noch zum alten Eisen gehörig“.

Kleine Clique, großer Plan

Während Matheis mit vielen Einzelheiten die Schwachstellen des Beförderungs- und Besetzungssystem zu schildern versuchte, wollte Minister Strobl diese Darstellung vor der Landespresse insofern nicht gelten lassen, als er Widersprüche sieht. Diese aufzuklären sei „die klassische Aufgabe eines Untersuchungsausschusses“. Fragen nach möglicherweise notwendigen schnellen Veränderungen bei Beförderungen und Besetzungen kontert er mit allgemeinen Hinweisen: „Selbstverständlich steht bei der Landespolizei und im Landespolizeipräsidium immer alles auf dem Prüfstand, das ist mit ein Erfolgsgeheimnis der baden-württembergischen Landespolizei.“ Oder: „Nichts ist so gut bei der Polizei, dass es nicht nur ein bisschen besser werden könnte.“

Hildenbrand war bei der nächtlichen Pressekonferenz unmittelbar nach der Ausschusssitzung am Montag deutlich konkreter und beklagte die Strukturen, die sich entwickelt hätten, und wie „offenbar eine kleine Clique einen großen Plan“ gehabt habe, der „rücksichtslos durchgesetzt“ werde. Leute, die den Mund aufmachten, seien geächtet, so der SPD-Obmann. Ministerpräsident Winfried Kretschmann müsse endlich ein Machtwort sprechen. FDP-Obfrau Julia Goll spricht von „geradezu kriminellen Methoden“ und „offensichtlichen Rechtsbrüchen. Hans-Jürgen Goßner (AfD) benutzte den Begriff „Clanstrukturen“. Staab erwartet weiter Aufschlüsse von neuen Zeugen, unter anderem den geladenen Polizeipräsidenten: „Wir müssen verschiedene Punkte vertiefen und aufklären, was da passiert ist.“

Quelle/Autor: Brigitta Johanna Henkel-Waidhofer

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