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Energiewende

Schwimmende Solarmodule können die Ökosysteme von Seen schützen

Schwimmende Solaranlagen auf Baggerseen könnten Flächenkonflikte beim Ausbau der Photovoltaik reduzieren. Zudem könnten sie bei einer weiteren Klimaerwärmung ökologisch positive Effekte für die Gewässer erzeugen, wie eine aktuelle Studie belegt.

Auf dem Philippsee bei Bad Schönborn in Nordbaden ist seit Herbst vergangenen Jahres die größte schwimmende Photovoltaikanlage Deutschlands in Betrieb.

IMAGO/Daniel Kubirski)

Stuttgart/Freiburg. Für Baustoffhersteller sind schwimmende Photovoltaikanlagen auf ihren Kiesgruben doppelt wertvoll: Sie leisten einen Beitrag zum Klimaschutz und können die eigenen Kosten senken, wenn der selbstproduzierte Strom für den eigenen Maschinenpark genutzt wird. Doch bislang setzt der Bund dem enge Grenzen. Nach dem Wasserhaushaltsgesetz dürfen maximal 15 Prozent der Wasserfläche von Solarmodulen bedeckt werden. Das macht die Anlagen nicht immer wirtschaftlich.

Die starke Flächenbegrenzung, die unter der Ampel-Koalition eingeführt wurde, begründet das Bundesamt für Naturschutz mit dem „Vorsorgegrundsatz in der nationalen Wassergesetzgebung und dem Verschlechterungsverbot“. Und zu Auswirkungen von schwimmenden Solaranlagen auf die Gewässergüte gebe es derzeit kaum Untersuchungen.

Vögel nutzen Solarmodule zum Brüten und Rasten

Doch nun hat das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE) einen ersten Schritt gemacht, um die Lücke zu beseitigen. Wissenschaftler des Freiburger Instituts haben über zwei Jahre an drei Seen in der Schweiz, den Niederlanden und bei Leimersheim am Oberrhein Daten gesammelt, wie sich die Abdeckung mit Photovoltaikmodulen auf die Wasserqualität und die Ökosysteme auswirkt.

Die Forscher stellten fest, dass die Wassertemperatur dadurch im Sommer etwas niedriger war als ohne Abdeckung und im Winter etwas höher, allerdings ohne feststellbare Folgen. „Die Änderung der Wassertemperatur sowie weitere Faktoren wie Sauerstoffgehalt und Nährstoffzusammensetzung hatten in den zwei Jahren der Messungen keine nennenswerte Auswirkung auf die Wasserqualität“, sagt Projektleiter Konstantin Ilgen. Wegen der heißeren Sommer könnte der temperatursenkende Effekt sogar günstig für die Seen sein, vermutet er. Die Solaranlagen beeinträchtigen nach den bisherigen Forschungen auch die Tierwelt in und an den Seen nicht, im Gegenteil. Ilgen und sein Team haben festgestellt, dass sich an zwei der Anlagen Muschelkolonien angesiedelt hatten. Und in den Niederlanden wurden die Anlagen von elf verschiedenen Vogelarten als Rastplatz, als Ausgangsort zum Jagen oder zum Nestbau genutzt. Darunter seien auch gefährdete Arten wie der Kiebitz oder die Bekassine gewesen.

Land plädiert für größere Flächen der PV-Anlagen

Bislang schränken die Fraunhofer-Forscher die Allgemeingültigkeit ihrer Ergebnisse noch ein. „Wir sind noch nicht so weit, dass wir die Ergebnisse der letzten drei Jahre auf andere Seen mit Floating-PV übertragen können,“ erklärt Ilgen. Doch ein Hinweis, dass die nutzbare Fläche auf den Baggerseen großzügiger bemessen werden könnte, weil es keine oder nur minimale Beeinträchtigungen der Naur gibt, liefern sie schon.

Die 15-Prozent-Grenze des Bundes ist auch unter Wasserexperten durchaus umstritten. Erst in dieser Woche hatte sich Joachim Bley, Abteilungsleiter Wasser bei der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW), beim Kongress „Kieswirtschaft im Dialog“ für 25 Prozent starkgemacht.

So viel Fläche könne nach Untersuchungen im Auftrag der LUBW problemlos für Photovoltaikanlagen auf Baggerseen genutzt werden. Über eine größere Ausdehnung bis zu 45 Prozent müsse im Einzelfall entschieden werden.

Photovoltaik kommt im Koalitionsvertrag kaum vor

Bley fordert nun, den gesetzlichen Rahmen anzupassen. Auch der Industrieverband Steine Erden hatte in der Vergangenheit wiederholt eine Lockerung der 15-Prozent-Grenze gefordert.

Das Potenzial in Baden-Württemberg ist einer Analyse des Fraunhofer ISE aus dem Jahr 2022 zufolge groß. Rund 70 Seen wären danach geeignet. Im Idealfall würde die dort zur Verfügung stehende Fläche ausreichen, um Module mit einer Gesamtleistung von bis zu einem Gigawatt zu installieren.

Ob die Kiesproduzenten von der neuen Bundesregierung eine rasche Änderung der aktuellen Rechtslage erwarten können, ist völlig offen. Das Wort Photovoltaik kommt im Koalitionsvertrag nur ein Mal vor.

Vier Anlagen sind im Südwesten derzeit in Betrieb

Der Einsatz von Photovoltaik auf Baggerseen ist in ganz Deutschland ebenso wie in Baden-Württemberg noch sehr überschaubar. Im Südwesten sind seit dem vergangenen Herbst vier Anlagen in Betrieb, drei am Oberrhein und eine bei Ostrach in Oberschwaben. Die größte, mit 8,7 Hektar Fläche, schwimmt auf dem Philippsee bei Bad Schönborn in Nordbaden, die drei anderen haben unter einem Hektar Fläche. Derzeit plant der schweizerische Baustoffkonzern Holcim an seinem Standort in Malsch bei Rastatt eine noch größere Anlage.

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