Debatten im Landtag vom 27. und 28. Juni 2012

Landtag mehrheitlich gegen Direktwahl der Landräte

Stuttgart. In Baden-Württemberg werden die Chefs der Verwaltungen in den 35 Landkreisen auch weiterhin von den Kreistagen gewählt. Mit den Stimmen von CDU, Grünen und SPD lehnte der Landtag in der heutigen Sitzung in zweiter Lesung erwartungsgemäß den Gesetzentwurf der FDP über die Einführung der Direktwahl der Landräte ab. Obwohl Grüne und SPD im Koalitionsvertrag […]

Stuttgart. In Baden-Württemberg werden die Chefs der Verwaltungen in den 35 Landkreisen auch weiterhin von den Kreistagen gewählt. Mit den Stimmen von CDU, Grünen und SPD lehnte der Landtag in der heutigen Sitzung in zweiter Lesung erwartungsgemäß den Gesetzentwurf der FDP über die Einführung der Direktwahl der Landräte ab.
Obwohl Grüne und SPD im Koalitionsvertrag diese Direktwahl vereinbart haben, sprachen sich Sprecher der Regierungskoalition gegen das Gesetz aus. „Die FDP wühlt auf fremdem Acker“, begründete Walter Heiler (SPD) die Ablehnung. Beim Blick in den Koalitionsvertrag hätten die Liberalen wohl die Volkswahl entdeckt.
Heiler wies auf Mängel in dem Gesetzentwurf hin. So seien einige rechtliche Punkte überhaupt nicht aufgeführt, wie Regelungen zum Wahlverfahren, Übergangsbestimmungen oder andere Missverstände. „Purer Populismus“ sei dies, betonte der Bürgermeister von Waghäusel. Die FDP habe von 1996 bis 2011 mitregiert, dabei aber nicht einmal den Versuch unternommen, die Direktwahl der Landräte gegen die CDU durchzusetzen.
Auch Andreas Schwarz (Grüne) reklamierte ein rechtssicheres Gesamtkonzept, wenn man die Wahl der Landräte ändern wolle. Dafür müsse man sich Zeit nehmen. Grüne und SPD wollten die Vereinbarung im Koalitionsvertrag noch in Angriff nehmen, beteuerte Schwarz.
Für die CDU äußerte Karl Klein grundsätzliche Bedenken. Unter den derzeit gegebenen Zuständigkeiten und Aufgaben eines Landrats sei eine Volkswahl der Landräte nicht förderlich. 80 Prozent der Aufgaben seien gesetzlicher Natur, 20 Prozent kommunaler Natur. Da würde mit einer Direktwahl ein falscher Eindruck beim Wähler entstehen, hieß es in der CDU-Fraktion. Klein, Bürgermeister von Mühlhausen, verwies auf die bewährte Gemeindeordnung in Baden-Württemberg, die man nicht ohne Not ändern solle.
Ulrich Goll warf seinen Abgeordnetenkollegen „Ausflüchte und Ausreden“ vor. Er respektiere zwar den CDU-Standpunkt, finde ihn jedoch nicht stichhaltig. Die Landesregierung müsse sich fragen lassen, warum sie noch keinen Gesetzentwurf vorgelegt habe, wo doch Grün-Rot als mehr Bürgerbeteiligung auch die Direktwahl der Landräte im Koalitionsvertrag vereinbart habe.
„Die Koalition ist sich nicht einig“, beantwortete der frühere Justizminister die Frage selbst. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) unterstütze die Direktwahl nicht, Innenminister Reinhold Gall (SPD) sei auch kein Freund einer solchen Regelung, mutmaßte Goll. „Wir sind irritiert“, lautete sein Schluss. Er hege den Verdacht, dass die Landkreise ganz abgeschafft werden sollen, denn „manchen ist die gewachsene Macht ein Dorn im Auge“.

Quelle/Autor: Wolf Günthner

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27. und 28. Juni 2012