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Hagel steht bereit für das Duell um die Villa Reitzenstein

CDU-Landesvorsitzender Manuel Hagel (l) überreicht Bundeskanzler Friedrich Merz beim Landesparteitag das Modell eines Porsche Motors.
dpa/Bernd Weißbrod)Stuttgart. Dieser Moment wirkt fast schon überinszeniert: Der 37-jährige Manuel Hagel steht auf der Bühne, der ganze Saal mit Delegierten applaudiert im Stehen, Schilder werden hochgehalten. Und dann, als der mit 93,8 Prozent der Stimmen frisch gekürte Spitzenkandidat in die Menge winkt, treten die Altvorderen herbei: Annette Schavan, Ex-Bundesbildungsministerin, die einst gegen Günther Oettinger im Rennen um die Teufel-Nachfolge unterlag.
Oettinger selbst, der nach seiner Zeit in der Villa Reitzenstein ein passabler EU-Kommissar wurde. Und, das ist ein Novum, zum ersten Mal seit 2011 wieder auf einem CDU-Landesparteitag: Stefan Mappus, der Kurzzeit-Regent, den der junge Hoffnungsträger wieder in die Parteifamilie aufnimmt. „Wir sind gottfroh, heute einen voll integrierten Energieversorger zu haben“, lobt Hagel in seiner Rede den umstrittenen, weil damals verfassungswidrigen Deal des Rückkaufs der EnBW-Aktien.
Die Lager in der CDU sind versöhnt
Die Lager sind versöhnt, Konservative gegen Liberale, Landbevölkerung gegen urbane Milieus, das Schavan- und das Oettinger-Lager, das spielt in der CDU des Jahres 2025 keine Rolle mehr. Und so reicht Manuel Hagel auf diesem Parteitag, der im Schatten der Spielstätte des VfB Stuttgart stattfindet, seine weitgehend bekannte Parteitagsrede, um die Partei hinter sich zu einen. „Verändern und bewahren, das muss unser Motto sein“, ruft Hagel in den Saal.
Und wandelt ein Zitat von Ex-Ministerpräsident Erwin Teufel ab: „Eine starke Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne starke Wirtschaft ist alles andere nichts.“ Der CDU-Chef beschwört eine Macher-Mentalität, Fleiß und Cleverness, ein wenig Lothar Späth und Günther Oettinger in einem. Und greift einmal mehr auf sein Bonmot zurück, das er bei der Wahl zum Landeschef 2023 in Reutlingen erfand: „Das Erbe von Winfried Kretschmann ist bei uns in guten Händen.“ Sogar der neue Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), der als Stargast unter rhythmischem Klatschen einläuft, erfreut sich an diesem Zitat: „Ich werde Winfried Kretschmann an seinem Geburtstag nachher besuchen, und ihm das sagen.“
Hagel will eine zehnte Universität im Land mit Schwerpunkt KI
So weit, so bekannt. Es gibt auch ein paar neue Ideen: Hagel will eine zehnte Universität im Land, mit dem Schwerpunkt Künstliche Intelligenz, Innovationszonen im Land in denen Regeln und Vorschriften einfach ausgesetzt werden. Und Baden-Württemberg soll „Krebsforschungsstandort Nummer eins“ werden, zudem will er ein neues Kinderschutzgesetz im Land erlassen.
Das sind eher noch Skizzen. Doch vielleicht liegt darin die Strategie, nicht allzu konkret zu werden. Denn je greifbarer Vorschläge werden, desto schneller entzündet sich Kritik. Hagel legt großen Wert auf den Wortlaut seiner Zitate, will ein fein konstruiertes Bild von sich transportieren. Keine Fehler machen, das kann eine durchaus erfolgreiche Wahlkampfstrategie sein.
Hoffnung auf Rückeroberung der Villa Reitzenstein
Die Partei legt sich dem jungen Ehinger zu Füßen, der die Hoffnung auf Zukunft und die Rückeroberung der ganzen Macht verkörpert. Schließlich war man aus Unionssicht unerhörte 15 Jahre aus der Villa Reitzenstein verbannt, die man doch 58 Jahre als Wohnzimmer wähnte.
Hagel bleibt seiner Strategie treu, die Grünen nur fein dosiert anzugreifen. Überraschend, dass er einen indirekten Seitenhieb auf Winfried Kretschmann platziert: „Müsste ein Ministerpräsident jetzt nicht in die USA fliegen, und um die besten Köpfe der Wissenschaft werben, die von Donald Trump vertrieben werden?“
AfD-Wählern Brücke zurück ins bürgerliche Lager bieten
Und noch einen Zwischenton setzt Hagel anders als sonst. Zwar lässt er nicht den Hauch eines Zweifels aufkommen, dass er die AfD als Partner ablehnt: „Mit dieser Partei haben wir nichts zu tun, gibt es keine Zusammenarbeit.“
Doch er nennt sie nicht mehr „Vaterlandsverräter“ und sagt: „Wir dürfen die Wähler der AfD nicht hinter Brandmauern einkasteln, sondern wollen ihnen eine Brücke zurück ins bürgerliche Lager bieten.“ Das deutet den Spagat an, den eine konservative Partei im aktuellen politischen Klima leisten können muss.
Doch das geht in den Ovationen am Ende unter. Inhaltliche Nachschärfungen spart man sich bei der Union für den Herbst auf, schließlich ist fast noch ein Jahr hin bis zur Landtagswahl. Die CDU-Mitglieder versammeln sich hinter dem rhetorisch begabten junge Mann, der laut neuestem BW-Trend aber nach wie vor für 66 Prozent unbekannt ist.
Keine innerparteiliche Konkurrenz
Innerparteiliche Konkurrenz hat Hagel schon lange nicht mehr zu fürchten, Partei und Fraktion sind auf Linie, Amtsvorgänger Thomas Strobl umarmt den jungen Hoffnungsträger demonstrativ. Der eigentliche Gegner Cem Özdemir, der am Samstag in Heidenheim auf den Schild gehoben wird, wird mit keinem Wort erwähnt. Die Strategen der Partei hoffen auf gutes Regieren in Berlin, und dass der zwar bekannte, aber auch umstrittene Name Özdemir den Grünen nicht die fehlenden 11 Prozent bringt.
Zwar liebäugeln viele in der Partei mit Alternativen, wenn es um die Regierungsbildung 2026 geht. Doch die „Deutschlandkoalition“ mit SPD und FDP hätte aktuell keine Mehrheit. Daher richtet sich mancher schon darauf ein, die Grünen auch nach der Wahl noch als Partner zu haben. Deswegen bemüht sich der Spitzenkandidat auch, keine Brücken abzubrechen. Vielleicht ist Schwarz-Grün die einzige Machtoption jenseits der AfD, die ihrerseits den Landeschef Markus Frohnmaier als Spitzenkandidaten nominiert hat. Doch eine Zusammenarbeit ist für die Union völlig ausgeschlossen.
Bundeskanzler Merz lobt Südwest-CDU als eine große Stütze
Die Südwest-Union sonnt sich lieber in ihrer Bedeutung als neuer Kanzlerpartei. Friedrich Merz sagt dann auch: „Der Landesverband war immer einer meiner großen Stützen. Ohne ihn würde ich nicht hier als zehnter Kanzler der Bundesrepublik Deutschland stehen.“ Merz macht einen rhetorischen Rundumschlag durch nahezu alle Themenfelder.
Es geht um Verteidigungsbereitschaft, um das Ehrenamt, um Digitalisierung und Staatsmodernisierung, um Reformen bei der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung, um Investitionssicherheit, mehr Freiräume für die Wirtschaft, um Migration. Zugleich zeigt er harte Kante gegen die AfD: Diejenigen, die zu uns kommen, hier arbeiten und leben wollen, „sind uns auch künftig in Deutschland herzlich willkommen“.
Merz will anderen Umgang und Stil
Sein Ziel: Nicht allein die CDU im Südwesten soll die nächste Landtagswahl gewinnen. Der Kanzler fordert dazu auf, mit den Menschen in den neuen Bundesländern ins Gespräch zu gehen. „Wir überlassen auch den Osten nicht den Populisten“, macht er deutlich. „Wenn dieser Landesparteitag jetzt zu Ende geht, dann müssen wir raus, müssen auf Menschen zugehen, ihnen erläutern, was wir mit diesem Land vorhaben.“
Und dazu gehört für ihn auch ein anderer Stil. Die Ampelkoalition sei vor allem am Umgang miteinander gescheitert. Merz geht es darum, in der Bundesregierung zu zeigen, dass diese Regierung eine Mannschaft sei. Dabei räumt er ein, dass es mit dem Koalitionspartner SPD auch Differenzen und Meinungsunterschiede geben wird. Aber er will anders damit umgehen: „Wir müssen beweisen, dass die politische Mitte, die Probleme lösen kann.“
Dann lobt Merz die Verlierer um den Poker für Kabinettsposten: Steffen Bilger und Andreas Jung, die mit einflussreichen Funktionen in der Fraktion entschädigt wurden. Noch ein Schlaglicht: Südwest-Generalsekretärin Nina Warken verabschiedet sich aus diesem Amt, sie ist neue Gesundheitsministerin: „Ich danke euch für das Vertrauen.“
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Hagel führt Landesliste an
Die CDU hat am Samstag auch ihre Landesliste für die Landtagswahl am 8. März aufgestellt. Angeführt wird sie von Spitzenkandidat Manuel Hagel. Auf den vorderen Plätzen folgen Bauministerin Nicole Razavi, Justizministerin Marion Gentges, Innenminister Thomas Strobl und Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut. Der Richter am Landgericht, Bastian Schneider, kandidiert auf Platz sechs, gefolgt von den Landtagsabgeordneten Cornelia von Loga und Andreas Deuschle. Mit Theresa Schreiber tritt auf Platz neun eine Vertreterin der Jungen Union an. Es folgt Staatssekretär Volker Schebesta und die Abgeordneten Tobias Vogt, Isabell Huber, Thomas Dörflinger, Patrick Rapp und Ansgar Mayr. Erst Raimund Haser (Platz 19) thematisiert Energie und Klimaschutz bei seiner Vorstellung.
