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Kommentar

Die unendliche Geschichte: Polizeiaffäre nimmt kein Ende

Die neusten Vorwürfe aus dem Untersuchungsausschuss erschüttern das Vertrauen. Am Freitag fällt das Urteil im Prozess gegen den Polizeiinspekteur. Die Landespolizei und die Politik sollte daraus ihre Lehren ziehen, und zwar schnell.
Thomas Strobl (CDU), Innenminister von Baden-Württemberg

Innenminister Strobl steht in im Hinblick auf die Polizeiaffäre in der Verantwortung, kommentiert Rafael Binkowski.

dpa/ dpa | Marijan Murat)

STUTTGART. Immer wenn man denkt, die unendliche Geschichte um die Polizeiaffäre, den freigestellten Inspekteur und Innenminister Thomas Strobl (CDU) könne keine weiteren Wendungen mehr nehmen, wird man eines Besseren belehrt. Ein amtierender Polizeivizepräsident berichtet davon, wie der nun vor Gericht stehende Andreas Renner durch wundersame Protegierung an ihm vorbeizog und Vizepräsident des Landeskriminalamtes wurde. Wie er eingeschüchtert, gar bedroht und in die vorzeitige Pension gedrängt wurde.

Und der ehemalige LKA-Chef Ralf Michelfelder wollte sogar einem von Renner geförderten Beamten ein Hausverbot erteilen. Es wird immer deutlicher, dass es in dem Sicherheitsapparat, dem Landeskriminalamt und dem Landespolizeipräsidium bis hin zum Innenministerium drunter und drüber ging, Interna durchgestochen wurden und werden, um bestimmte Personen zu befördern oder zu desavouieren.

Der Innenminister ist in der Verantwortung

Diese Kultur der Cliquenwirtschaft ist zusammen mit dem Fehlverhalten des Polizeiinspekteurs und einem zumindest in der Vergangenheit fehlenden Bewusstsein, wie mit sexueller Belästigung umgegangen werden soll, das eigentliche Problem. Und hier beginnt auch die Verantwortung des Innenministers, der mit demonstrativer Gelassenheit bislang alle Vorwürfe an sich abperlen lässt. Immerhin hat er zugesagt, auch den neusten Vorwürfen nachzugehen. 

Am Freitag fällt zudem das Urteil im Prozess gegen Renner vor dem Landgericht. Vom Freispruch bis zu einem Urteil über einem Jahr ist fast alles möglich. Klar ist: Unabhängig von der strafrechtlichen Bewertung hat Renner seine Rolle aus Vorgesetzter missbraucht, um Macht auszuüben und junge Kolleginnen anzugraben. Das macht ihn für Führungsaufgaben in der Polizei untragbar. Alles weitere wird das nach dem Prozess folgende Disziplinarverfahren weisen. Dass er nicht mehr Inspekteur sein kann, hat sogar der Innenminister schon klargestellt.

Klima des Misstrauens bei der Polizei

Das Grundproblem ist, dass die Enthüllungen den vielen redlichen und fleißigen Polizisten die Arbeit erschweren. Manche sehen sich regelrecht einem Klima des Misstrauens ausgesetzt. Es ist höchste Zeit, dass auch an der Spitze der Polizeiverwaltung im Land alle Beteiligten absolute Vorbildfunktion zeigen, alle Vorwürfe rückhaltlos aufklären. Und ein Klima der Transparenz und des Vertrauens schaffen, für junge Frauen, aber auch für männliche Polizisten, die auf eine faire Aufstiegschance hoffen. Es gibt dazu Ansätze, doch noch die CDU-Obfrau im Untersuchungsausschuss spricht von „Dysfunktionalität“ im Polizeiapparat – hier gilt es gegenzusteuern. Von Reichsbürgern über kriminelle Jugendbanden bis Telefonbetrügern: Es gibt genug Themen, denen man sich mit aller Kraft widmen sollte.

Rafael Binkowski

Chefredakteur des Staatsanzeigers

0711 66601 - 293

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