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Untersuchungsausschuss Polizeiaffäre

Ministerpräsident Kretschmann verteidigt Strobl weiterhin

Die Aussagen des Journalisten, der den Brief des Anwalts erhalten haben soll, säen Zweifel, ob Thomas Strobl vor dem Ausschuss die Wahrheit gesagt hat. Winfried Kretschmann vertraut weiterhin auf die Darstellungen des Innenministers.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sitzt im Bürger- und Medienzentrum als Zeuge im Untersuchungsausschuss zur sogenannten Polizei-Affäre.

dpa | Marijan Murat)

STUTTGART. Die mit Spannung erwartete Aussage von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss unter anderen zur Brief-Affäre seines Stellvertreters Thomas Strobl brachte im Wesentlichen keine neuen Erkenntnisse.

Kretschmann vertraut auf die Darstellungen des Innenministers rund um die Weitergabe eines Anwaltsschreibens im Disziplinarverfahren gegen den ranghöchsten Polizisten des Landes wegen möglicher sexueller Übergriffe. Über Details wollte Kretschmann nach eigenen Angaben nichts wissen, er sieht sich durch die Staatsanwaltschaft bestätigt, die unter Auflagen auf eine weitere Verfolgung verzichtet hat.

Deutlich brisanter allerdings gestaltete sich die Vernehmung des Journalisten, der den Brief des Anwalts am 27. Dezember 2021 in den „Stuttgarter Nachrichten“ veröffentlicht hat. Dessen Aussagen säen Zweifel daran, ob Strobl vor dem Ausschuss die Wahrheit gesagt hat. Bis zum 12. Dezember will das Gremium über das weitere Vorgehen entscheiden.

Suche nach dem Termin

Einerseits geht es im Wesentlichen um den Termin, an dem die Staatsanwaltschaft Strobl die Einstellung ihrer Ermittlungen anbot, bei Zahlung eines Geldbetrags von 15.000 Euro. Dem Journalisten zufolge geschah dies ebenso wie in seinem Fall am 11. August. Strobl wiederum war vor dem Ausschuss im Ungewissen geblieben und wurde dann vor der CDU-Fraktion, als er sich am 20.Oktober die Rückendeckung der Abgeordneten für sein weiteres Vorgehen holte, sehr präzise. Vom 11. August war in beiden Fällen nicht die Rede. Auch der Ministerpräsident konnte nichts Erhellendes beitragen zur Terminfrage, denn ihn hat seine Vize überhaupt erst kurz vor jener Sondersitzung im Oktober informiert.

Der zweite Widerspruch könnte sich ergeben aus der Darstellung der Umstände, unter denen die Veröffentlichung des Schreibens möglich wurde. Jedenfalls wollen die Ausschussmitglieder jetzt die Protokolle der Vernehmungen abgleichen. Am 12. Dezember soll entschieden werden, ob die Staatsanwaltschaft abermals eingeschaltet wird, diesmal wegen uneidlicher Falschaussage. Auch die Regierungsfraktionen von Grünen und CDU haben dem Vorgehen zugestimmt.

„Verheerende Missstände“

Dazu machte der Journalist in seiner Aussage Einzelheiten bekannt, über die bisher nur in nicht öffentlicher Sitzung beraten werden darf. Er hielt der Polizeiführung im Südwesten verheerende Missstände vor: „Persönliche Verbindungen gelten mehr als Eignung und Befähigung, erst recht als Kritik und das Aufzeigen von Mängeln.“ Unter anderem sprach er von einem „Klima der Angst“, berichtete aber auch über auffällige Details bei Beförderungen oder Trinkgelage. SPD und FDP wollen jetzt prüfen, wie mit diesen Sachverhalten umzugehen ist, beispielsweise ob sie künftige Zeugen – darunter praktisch die gesamte Polizeiführung – auch öffentlich damit konfrontieren werden.

Die Beurteilung von Kretschmanns Auftritt durch die fünf Fraktionen des Landtags fiel naturgemäß ausgesprochen unterschiedlich aus. Während Grünen-Obmann Oliver Hildenbrand (Grüne) am fehlenden Interesse des Ministerpräsidenten an Details der Brief-Affäre nichts auszusetzen hatte, beklagte Sascha Binder (SPD) die Verharmlosung des Falles Strobl durch den Ministerpräsidenten: „Kretschmann ist mit dem Versprechen einer ,Politik des Gehörtwerdens‘ Ministerpräsident geworden, von der mittlerweile nur noch eine Politik des Nichtgestörtwerdens übriggeblieben ist.“

Befragung weiterer Zeugen

Die FDP-Obfrau Julia Goll wirft dem Grünen vor, nicht wissen zu wollen. Der Ausschuss werde „jetzt mit der Vernehmung der weiteren Zeuginnen und Zeugen in der Hierarchie des Ministeriums langsam gewissermaßen von der Spitze aus nach unten gehen und ich bin sehr gespannt, auf welcher Stufe und bei welchen Zeuginnen und Zeugen die Erinnerung an die besprochenen Vorgänge wieder einsetzen wird.“

Quelle/Autor: Brigitte Johanna Henkel-Waidhofer

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