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Debatten im Landtag vom 1. und 2. Februar 2023

FDP: Allein die Grünen stehen einer Rückkehr zu G9 im Wege

  SPD, FDP und AfD wollen das neunjährige Gymnasium wieder zum Regelangebot machen. Mehr Zeit jenseits der Schule, mehr Bildungsgerechtigkeit und weniger Leistungsdruck seien nötig. Für G9 seien zu viele Ressourcen erforderlich und andere Baustellen in der Bildung seien dringlicher, so die Grünen. Die CDU setzt auf einen breiten Konsens.

Eine Elterninitiative setzt sich für die Rückkehr zu G9 ein.

dpa/ dpa | Friso Gentsch)

STUTTGART. Der geplante Volksantrag der Elterninitiative „G9 jetzt“ hat die öffentliche Diskussion um eine Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium als Regelform erneut befeuert. Ob die Ressourcen dafür vorhanden sind und welche Folgen das hätte, wurde am Mittwoch im Landtag debattiert.

Kultusstaatssekretärin Sandra Boser vertrat dabei die aus dienstlichen Gründen abwesende Kultusministerin Theresa Schopper (beide Grüne). Boser verwies darauf, dass es neben den 43 G9-Modellversuchsschulen viele alternative Wege zum Abitur in neun Jahren gebe, vor allem an beruflichen Gymnasien. Wissenschaftliche Untersuchungen hätten keine negativen Auswirkungen von G8 ergeben. Das Freizeitverhalten der Schüler habe sich nicht verändert, die Abinoten hätten sich nicht verschlechtert. Eine Rückkehr zu G9 erfordere rund 1400 zusätzliche Lehrerstellen, was etwa 115 Millionen Euro entspreche.

Stoch: Andere Länder haben Rückkehr zu G9 gut geschafft

Zudem seien derzeit im Bildungsbereich andere Aufgaben vordringlich. Qualitätsverbesserung und Lehrerversorgung an den Grundschulen seien im Fokus der Landesregierung.

„Wir brauchen mehr G9 an den allgemeinbildenden Gymnasien“ forderte dagegen der SPD Fraktionsvorsitzende und frühere Kultusminister Andreas Stoch (SPD). Dass kein Geld und nicht genug Lehrer dafür da seien, sei ein vorgeschobenes Argument. Bei den Gymnasium sei die Lehrerversorgung derzeit am besten, zudem wäre für G9 ein Personalaufbau „nicht auf Knopfdruck“ nötig, sondern nur über einen längeren planbaren Zeitraum hinweg.

Alle Nachbarländer hätten bereits bewiesen, dass der Aufwand für eine Rückkehr zu G9 nicht annähernd so groß sei, wie die Landesregierung behaupte, so Stoch. „Es ist nicht ehrenrührig, einen Fehler zu korrigieren. Es wäre aber dumm, an einem Fehler festzuhalten.“

Der CDU-Abgeordnete Alexander Becker sagte, die Rahmenbedingungen für G8 hätten sich seit dessen Einführung 2004 „maßgeblich verändert“. Die Debatte um ein neues ,modifiziertes G9 beginne erst. Die CDU sehe den Veränderungswunsch, wolle aber keine Strukturdebatte, sondern eine tragfähige Lösung. Daher strebe sie eine möglichst große Einigkeit im Landtag an.

Die ist nach Ansicht des FDP-Bildungsexperten und Gymnasiallehrers Timm Kern (FDP) im Grunde schon jetzt möglich.

AfD bemängelt späten Schuleintritt vieler Kinder

Denn ihm zufolge sind die Grünen in dieser Frage im Parlament isoliert. Allein sie beharrten auf dem von Eltern und Schülern ungeliebten G8, damit mehr Schüler die Gemeinschaftsschule, die „ideologische Lieblingsschule der Grünen“, wählen. Alle anderen, auch die CDU, seien mittlerweile für die Wahlfreiheit zwischen G8 und G9.

Für Rainer Balzer (AfD) „macht ein Gymnasium mit zwei Geschwindigkeiten absolut Sinn“. Für zehn bis 15 Prozent der Schüler sei G8 vielleicht als Weg zum Abitur geeignet, für die große Mehrheit nicht. Um die Ausbildungszeiten zu verkürzen, müsse an anderer Stelle angesetzt werden. Viele Kinder kämen derzeit erst mit sieben Jahren in die Schule.

Christoph Müller

Redakteur Bildung & Wissenschaft

0711 66601-182

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Lesermeinungen

    von Denise Bohr
    Boser verwies darauf, dass es neben den 43 G9-Modellversuchsschulen viele alternative Wege zum Abitur in neun Jahren gebe, vor allem an beruflichen Gymnasien. Wissenschaftliche Untersuchungen hätten keine negativen Auswirkungen von G8 ergeben. Das Freizeitverhalten der Schüler habe sich nicht verändert, die Abinoten hätten sich nicht verschlechtert. 1) Um eine G9-Modellschule zu besuchen, reicht es mittlerweile nicht mehr, auch nur 5km entfernt von ihr zu wohnen, wenn man am Ort ein G8-Gymnasium hat. Geschweige denn, wenn dieses Gymnasium zu weit weg ist. Es ist also ein Glücksspiel - echte Wahlfreiheit sähe anders aus. Die beruflichen Gymnasien beginnen ab Klasse 11 - wofür entscheidet man sich dann in Klasse 5-10 (die entscheidenden Jahre des Übergangs vom Kind zum Beinahe-Erwachsenen)? 2) Das Freizeitverhalten hat sich sehr wohl geändert, und zwar messbar. Selbst die umstrittene Studie von Prof. Trautwein, die übrigens nur das Verhalten der Doppeljahrgänge untersucht, geben SuS an, z.B. 95 Minuten weniger Zeit mit Freunden zu verbringen, 75 Minuten weniger Zeit für Nebenjobs etc. Es werden leider keine Vergleichszahlen angegeben - 100 zu 5 Minuten oder 300 zu 205 Minuten? Wie auch immer, Freunde ("Peers") spielen bei den Jugendlichen die größte Rolle und geben ihnen emotionale Stabilität. Wenn sie hier signifikant weniger Zeit haben, hat dies durchaus Auswirkungen. Nebenjobs helfen dabei, sich aus der finanziellen Abhängigkeit der Eltern zu lösen und erweitern oft den Horizont, weil man aus seiner gymnasialen "Bubble" rausgerissen wird. Nach all diesen (und weiteren) Befunden davon zu reden, dass sich "nichts geändert" habe, ist faktisch falsch. Quelle: https://uni-tuebingen.de/uploads/media/Studie_Konsequenzen_der_G8-Reform.pdf 3) Dass die Abiturnoten sich nicht verschlechtert haben, kann nun ernstlich niemanden überzeugen. Noten folgen immer einer Normalverteilung. Länder, die im IQB, bei PISA usw., weit hinter Baden-Württemberg stehen, vergeben bessere Abiturnoten etc. Noten sind Schall und Rauch. Nur einheitliche Tests über die Jahre könnten die Behauptung untermauern. Fakt ist: Wenn es keine Unterschiede gäbe, wäre der Widerstand seitens SuS, Eltern und Lehrkräften nicht so enorm! Eine Studie ist keine Studie, und ansonsten muss ich noch nicht mal Churchill zitieren...

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1. und 2. Februar 2023