Debatten im Landtag vom 28. und 29. Juli

Mappus will Landesagentur für Umwelttechnik einrichten

Stuttgart. Baden-Württemberg will bis Ende dieses Jahres eine Landesagentur für Umwelttechnik einrichten. Dies kündigte Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) heute bei seiner zweiten Regierungserklärung im Stuttgarter Landtag an. Diese soll alle Aktivitäten für Umwelttechnik, Öko-Innovationen und Ressourcen-Effizienz bündeln. Damit soll auch der Umgang mit Rohstoffen und Energie stärker gefördert werden. Experten schätzen nach Angaben des Regierungschefes […]

Stuttgart. Baden-Württemberg will bis Ende dieses Jahres eine Landesagentur für Umwelttechnik einrichten. Dies kündigte Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) heute bei seiner zweiten Regierungserklärung im Stuttgarter Landtag an. Diese soll alle Aktivitäten für Umwelttechnik, Öko-Innovationen und Ressourcen-Effizienz bündeln. Damit soll auch der Umgang mit Rohstoffen und Energie stärker gefördert werden. Experten schätzen nach Angaben des Regierungschefes die Wachstumspotenziale auf diesem Gebiet für Baden-Württemberg bis 2020 auf 30 bis 45 Milliarden Euro. Experten der Unternehmensberatung McKinsey und des Instituts für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) hatten dies in einem vom Land in Auftrag gegebenen Gutachten ermittelt.
Nach Ansicht von Mappus hat der Südwesten die Krise nicht nur überwunden, sondern auch dazu genutzt, sich weiter zu entwickeln. «Wir können wieder voll durchstarten. Wir sind im Steigflug», sagte der Ministerpräsident. Die Wirtschaft habe sich schneller als erwartet erholt, die Auftragsbücher der Unternehmen seien gut gefüllt. Mappus betonte, die Welt stehe wieder Schlange nach Produkten aus Baden-Württemberg, die zu den besten auf der Welt zählten. «Der Standort Baden-Württemberg meldet sich zurück als der Konjunkturmotor Deutschlands», sagte der Ministerpräsident. Er sprach von vier großen Wachstumsfeldern, die in der Zukunft ein überdurchschnittliches Potenzial versprechen, und zwar nachhaltige Mobilität und automobile Zukunft, Umwelttechnik und Ressourcen-Effizienz, Gesundheit und Pflege sowie IT-Dienstleistungen und -Systeme. Diese könnten bis 2020 mit 50 bis 80 Milliarden Euro zur Wertschöpfung beitragen.
Mappus sagte in seiner 50 Minuten langen Rede, er wolle den Ausbau regenerativer Energien so schnell wie möglich; Energie müsse aber bezahlbar bleiben. «Deshalb bleibe ich dabei: Wir brauchen die Kernkraft als klimafreundliche Brückentechnologie, so kurz wie möglich, aber so lang wie nötig», sagte der CDU-Politiker. Baden-Württemberg habe mit den erneuerbaren Energien vor kurzem die 10-Prozent-Grenz am gesamten Energieverbrauch überschritten.
Aus Sicht der Opposition fehlten in der Regierungserklärung konkrete Vorschläge für die Verbesserung der Wirtschaftslage. Mappus sei immer noch auf der Suche nach Orientierung und bleibe die Antwort darauf schuldig, wie der Fachkräftemangel bekämpft werden könne, kritisierte SPD-Fraktionsvize Nils Schmid. «Wer qualifizierte Frauen für den Arbeitsmarkt gewinnen möchte, muss endlich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf fördern und für verlässliche Kinderbetreuung sorgen», sagte der designierte SPD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2011. Er wies auf das Gutachten hin, dass einen Nachholbedarf bei der Betreuung der Drei- bis Sechsjährigen in Baden-Württemberg sieht.
Auch die Zuwanderung ausländischer Fachkräfte müsse, vor allem durch die Anerkennung von Abschlüssen, erleichtert werden. Migranten und Ausländer sollten nach Ansicht von Schmid nicht nur Arbeitsplätze gegeben werden, sondern auch Heimat. Er warf Mappus und der Landesregierung vor, für eine Schulsystem zu stehen, das Arbeiter- und Migrantenkinder 6,6 Mal so häufig sozial diskriminiert wie Kinder aus höheren Schichten.
Der Aufschwung in der Wirtschaft ist nach Ansicht von Schmid nicht das Verdienst der Landesregierung, sondern der Unternehmen und Arbeitnehmern. «Schmücken Sie sich nicht mit falschem Lorbeerblatt», rief der Mappus zu. Angesichts von Kreditklemmen für Unternehmen forderte der Wirtschaftsexperte eine Mittelstands-Anleihe. Außerdem bringt die Steuerreform nach Ansicht von Schmid wenig, wenn die Bürger zwar weniger Steuer bezahlen müssen, dafür aber bei Gebühren und Beiträgen stärker belastet werden. Der SPD-Politiker forderte den Ministerpräsidenten auf, seine Ausflüge in die europäische Politik und in die CDU-Parteipolitik einzustellen: «Hier ist Ihre Aufgabe. Wir wollen mehr sehen von Ihnen!»
Auch die Grünen ließen kein gutes Haar an der Regierungserkläriung. Durch sein Festhalten an der Atomkraft bremse Mappus – der die Reaktionen gut 15 Jahre länger laufen lassen will als im Atomkonsens vereinbart – den wirtschaftlichen Fortschritt in Baden-Württemberg. Die großen Konzerne machten mit billigem Atomstrom den Stadtwerken und anderen Anbietern deren umweltfreundlichen, dezentralen Energieversorgung massiv Konkurrenz, kritisierte Grünen-Fraktionschef Winfried Kretschmann. «Dort, wo Dynamik entsteht, wollen Sie ausbremsen. Das ist Wirtschaftspolitik von gestern», sagte Kretschmann. Er forderte die Regierung auf, mit der «Wir-sind-Spitze-Ideologie» aufzuhören. Beim Thema Mobilität «schnarche diese Regierung noch, während wir ausgeschlafen sind». Er warf Mappus eine «falsche Schulpolitik» vor.
Sprecher der Regierungskoalition stärkten dagegen dem Regierungschef den Rücken. 67 Prozent der baden-württembergischen Schüler seien optimistisch, hier ihre Zukunftspläne verwirklichen zu können, sagte CDU-Fraktionschef Peter Hauk. Die CDU wolle die gesetzlichen Klimaziele bis 2020 nicht nur erreichen, sondern übertreffen. «Es darf dabei keine Denkverbote geben. Bei der Energie gebe es keinen Gegensatz zwischen der Kernkraft und alternativen Energien – beides sei notwendig. In der Verkehrspolitik warf Hauk den Grünen vor, sich den ökologischen Jahrhundertprojekten im Land zu verweigern: «Ohne Sie hätten wir keinen Meter Schiene im Land.» Er kritisierte, die Grünen würden das Feld der Technikfeindlichkeit der Saturierten bedienen, die viel erreicht hätten und in ihren Rechten nicht gestört werden wollten.
Hans-Ulrich Rülke (FDP) forderte die Regierung zu einer Bundesratsinitiative auf, mit der die Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften erleichtert werden soll. Wie in Kanada oder Australien sollte auch in Deutschland der Bedarf über Quoten geregelt werden.

Quelle/Autor: Wolf Günthner

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28. und 29. Juli