Debatten im Landtag vom 8., 9. und 10. Februar 2012

Opposition nützt Debatte über Etat des Staatsministeriums zur Generalabrechnung

Stuttgart. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) fühlte sich von der Kritik der Opposition an der Regierungspolitik von Grün-Rot nicht sehr getroffen. „Die Opposition hat den Mund etwas voll genommen. Sie hätten Vorschläge machen sollen, die ihre Kritik auch hinterlegen“, erwiderte der Ministerpräsident heute im Landtag bei der zweiten Lesung des Haushaltsplans für das Staatsministerium. Regieren sei schwierig, […]

Stuttgart. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) fühlte sich von der Kritik der Opposition an der Regierungspolitik von Grün-Rot nicht sehr getroffen. „Die Opposition hat den Mund etwas voll genommen. Sie hätten Vorschläge machen sollen, die ihre Kritik auch hinterlegen“, erwiderte der Ministerpräsident heute im Landtag bei der zweiten Lesung des Haushaltsplans für das Staatsministerium. Regieren sei schwierig, aber Opposition sei auch nicht so einfach, sagte Kretschmann an die Adresse von CDU und FDP.
Er verteidigte die Politik seiner Regierung: Trotz der Steuermehreinnahmen von 800 Millionen Euro habe die Regierung im Haushalt 2012 eine Deckungslücke von 400 Millionen Euro schließen müssen, die Schwarz-Gelb hinterlassen habe. Die Opposition könne nicht bloß fordern, Altschulden zu tilgen; Schwarz-Gelb müßten dann schon auch sagen, wo das Geld für mehr Ivestitionen herkommen soll, sagte der Ministerpräsident.

Hauk: Keine Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik

Zuvor hatte CDU-Fraktionschef Peter Hauk Grün-Rot vorgeworfen, jegliche Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik vermissen zu lassen. Bei zwei Milliarden Mehreinnahmen habe es die Regierung versäumt, Schulden abzubauen. „Im Jetzt und Hier versagen Sie vollständig. Die CDU hatte dafür ein klares Konzept“, betonte Hauk. Er warf der Kretschmann-Regierung Selbstgefälligkeit vor; außerdem leide sie unter den Dauerquerelen zwischen Grün und Rot. Hauk kritisierte die strukturellen Mehrausgaben, die Personalaufstockung, die Verunsicherung von Schülern, Eltern und Lehrern sowie die Polizeireform. „Eine schnelle Konsolodierung des Haushalt ist so nicht machbar“, erklärte der CDU-Fraktionschef.
Bei der Umsetzung der erneuerbaren Energien herrscht nach Ansicht von Hauk „völlige Fehlanzeige“ bei Grün-Rot. In Fragen der Mobilität fehlten Antworten der Regierung. Der CDU-Politiker griff Kretschmann auch beim Thema Verkehr an. „Dies ist keine Frage der Ideologie, sondern betrifft Wachstum und Wohlstand“, sagte er. Er warf Grün-Rot vor, keine Sozialpolitik mehr zu betreiben.  

FDP: Kretschman hat Glaubwürdigkeitsproblem

Auch die Liberalen nutzten die Beratung über den Etat des Staatsministeriums zur Generalabrechnung. Die Regierung lege den mit 38,9 Milliarden Euro „aufgeblähtesten Haushalt aller Zeiten“ vor, kritisierte Hans-Ulrich Rülke. Der FDP-Fraktionschef urteilte, Kretschmann habe „nicht nur bei Stuttgart 21 den Mund zu voll genommen“ und habe deshalb ein Glaubwürdigkeitsproblem. Rülke warf dem Ministerpräsidenten vor, aktiv Einfluss auf den Polizeieinsatz im Schlosspark genommen und außerdem Parteifreunde in Ministerien mit Posten versorgt zu haben. Zudem rede Kretschmann die Automobilwirtschaft ständig schlecht. „Die von erzwungene Polizeireform, keine Straßen mehr im ländlichen Raum und einen Nationalpark, den keiner will – all dies sind Projekte gegen die Menschen im Land und keine Politik des Gehörtwerdens“, sagte Rülke.
Kretschmann konterte, seine Regierung habe es zum zweiten Mal geschafft, trotz schwieriger Bedingungen mit der Netto-Null den Haushalt zu konsolidieren. Die Deckungslücke von 400 Millionen Euro sei geschlossen worden. Die laute Kritik von CDU und FDP sei daher „nicht so viel wert“; er wünsche sich vielmehr eine Opposition, „die mir mal weh tut, weil sie recht hat“.

Kretschmann will bei Länderfinanzausgleich entschlossener vorgehen

In der Frage des Finanzausgleichs kündigte Kretschmann an, entschlossener vorzugehen. „Wenn die Nehmerländer nicht bereit sind, zu verhandeln, klagen wir mit Bayern und Hessen. Da gehen wir mit“, kündigte er an. Den parteiübergreifenden Konsens bei der Energiewende reklamierte Kretschmann ebenso als seinen Erfolg wie der Konsens bei Bund und Ländern zur Endlagersuche für Atommüll. Der CDU warf er vor, die Windkraft verhindert zu haben. Außerdem wies er auf die Unterfinanzierung des Verkehrsbereichs hin: „Für Staus bin ich nicht verantwortlich. Wer es 58 Jahre nicht geschafft hat, sollte leisere Töne anschlagen“, sagte er in Richtung Opposition. Gleichwohl sei er kein Straßenbau-Gegner: „Wenn mir Ramsauer mehr Geld gibt, baue ich auch mehr Straßen.“ Genau so verhalte es sich beim Schienenverkehr. Aus Sicht von Kretschmann braucht die Gesellschaft künftig nicht nur andere Autos, sondern auch weniger Autos auf den Straßen und dafür mehr Nahverkehr.
Die Polizeireform bringt laut Kretschmann mehr Polizisten in die Flächen und damit mehr Sicherheit für die Bevölkerung. Ein großes Rad habe die Regierung auch in der Betreuung und frühkindlichen Bildung gedreht, wo Baden-Württemberg bundesweit vorbildhaft sei.

Schmiedel spricht von Versäumnissen der Vorgängerregierungen

SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel ging erneut auf die Versäumnisse der Vorgängerregierungen ein. Das Klagelied der CDU, die 50 Jahre für den Verkehr im Land verantwortlich gewesen war, sei heuchlerisch. „Sie haben Baden-Württemberg zum Stauland Nr. 1 gemacht“, warf er der Opposition vor. Zudem habe die CDU vor Jahren 1000 Polizistenstellen abgeschafft und 200 Polizeiposten geschlossen. Auch die neue Polizeitaktik rund um den Stuttgarter Bahnhof bewertete Schmiedel positiv: „Mappus hat durch den Polizeieinsatz Baden-Württemberg in Verruf gebracht.“ Ins Leere ziele auch die Kritik an der Schulreform, die von vielen CDU-Bürgermeistern angenommen wird.
Auch Grünen-Fraktionschefin Edith Sitzmann lobte die Regierung. Mit der Sanierungsrücklage für Gebäude und Straßen wolle man Landesvermögen erhalten. Zukunftsgerichtet seien auch Investitionen in Bildung und Schulentwicklung, und gleichzeitig Schritte gegen soziale Selektion. Die von Schwarz-Gelb praktizierte „Basta-Politik“ habe bei Grün-Rot keine Zukunft. Man werde weiterhin die Menschen mitnehmen und mit ihnen reden, denn Bürgerbeteiligung sei Chance, Wissen und Erfahrung. Dazu gehöre auch der Dialog mit den Beschäftigten des Landes.

Quelle/Autor: Wolf Günthner

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8., 9. und 10. Februar 2012